Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
zu eins«, sagte Leblanc unbarmherzig. »Die Ratsstatuten verlangen, dass ihr euch uns unterordnet.«
»Ich beuge mich keiner Entscheidung, die andere mit dem Leben bezahlen müssen.« Ohne Leblancs aufgebrachte Replik abzuwarten, trat Michel vor den Thron. »Können wir Euch etwas anderes anbieten?«, fragte er den König.
»Dies ist kein Jahrmarkt, auf dem Ihr nach Belieben um den Preis einer Ware feilschen könnt«, erwiderte Philipp schneidend. »Akzeptiert Unsere Bedingung, oder die Übereinkunft ist null und nichtig. Aber dann erwartet nicht, dass Wir eure Stadt fürderhin mit Wohlwollen betrachten.«
Michel nahm all seinen Mut zusammen. Ein falsches Wort konnte alles verderben. »Die Bewohner Varennes’ mussten in den letzten Jahren viel erdulden – Armut, Gewalt und Unterdrückung. Bitte erspart ihnen weiteres Leid, mein Gebieter. Zeigt ihnen, dass Ihr nicht nur ein mächtiger Kriegsherr seid, sondern auch ein gütiger Herrscher, der seinem weisen und großzügigen Vater in nichts nachsteht. Die Bürger meiner Stadt werden es Euch mit ewiger Liebe danken.«
»Mit Liebe können Wir keinen Krieg gewinnen. Wir brauchen Soldaten.«
»Gewiss können wir Euch und Eurem Haus auch auf andere Weise zu Diensten sein«, sagte Michel.
Philipp trommelte mit den Fingern auf der Armlehne. »Geht«, wandte er sich an die vier Ratsherren. »Wir möchten allein mit Herrn de Fleury sprechen.«
Duval, Le Roux, Deforest und Leblanc verneigten sich und verließen widerwillig die Aula. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, sagte Philipp: »Wir schätzen es nicht, wenn man auf diese Weise mit Uns spricht, Herr Bürgermeister. Wir hoffen für Euch, dass Euer Angebot gut ist.«
»Ich danke Euch für Eure Geduld, mein Gebieter«, sagte Michel.
Dann begann er zu verhandeln, wie er noch nie in seinem Leben verhandelt hatte.
»Was fällt diesem Kerl ein?«, empörte sich Leblanc draußen vor der Aula. »Wir sind gleichberechtigte Mitglieder des Rates, nicht seine Untergebenen. Sich einfach über eine Mehrheitsentscheidung hinwegzusetzen – das darf er nicht tun!«
»Aber er hat es nun einmal getan«, meinte Duval. »Wenn Euch das nicht gefällt, hättet Ihr ihn eben daran hindern müssen. Jetzt ist es zu spät, sich darüber zu beklagen.«
»Er hat mich überrumpelt. Und außerdem – wie hätte ich das anstellen sollen? Ich kann doch nicht vor der ganzen Hofkanzlei mit dem Bürgermeister herumstreiten.«
»Beruhigt Euch. Ich bin sicher, Michel weiß, was er tut.«
»Er wird alles verderben«, murrte Leblanc. »Mit seinem Eigensinn wird er uns Philipp zum Feind machen.« Er stapfte über die Wiese und murmelte Verwünschungen in seinen Bart, während Le Roux und Deforest mit betretenen Gesichtern daneben standen.
Duval zog ein Tuch aus dem Ärmel und tupfte sich die Stirn. Auch er war alles andere als glücklich damit, dass Michel die Verhandlungen mit dem König an sich gerissen hatte, nachdem die Entscheidung des Rates bereits gefallen war. Doch er klammerte sich an den Gedanken, dass Michel auch diesmal die richtigen Worte finden würde. Wenn der Bursche eines konnte, dann reden.
Herr, bitte hilf ihm, betete Duval stumm, während er darauf wartete, dass sich das Portal der Aula öffnete. Doch das Tor blieb geschlossen, und die Zeit kroch quälend langsam dahin.
Noch nie hatte er sich so nach einem Krug Wein gesehnt wie jetzt.
Nach über einer Stunde verließ Michel die Aula. Auf dem gepflasterten Weg blieb er stehen, hob den Kopf und blinzelte in die Abendsonne.
Die Ratsherren stürzten ihm entgegen. »Wie hat der König entschieden?«, stieß Duval hervor. »Nun spannt uns nicht auf die Folter!«
»Wir müssen ihm keine Soldaten schicken«, antwortete Michel lächelnd. »Ich konnte ihn davon überzeugen, dass mein Angebot besser ist.«
»Und das wäre?«, fragte Deforest.
»Zum einen verpflichten wir uns, im Dom Seelenmessen für seinen Vater lesen zu lassen – zweihundert Jahre lang, jeweils an Barbarossas Todestag.«
»Ein annehmbarer Preis«, sagte Duval. »Und weiter?«
»Zum anderen baut der Rat der Zwölf in Varennes eine Königspfalz, die Philipp aufsuchen kann, wann immer er will.«
»Seid Ihr von Sinnen?«, brauste Archambaud Leblanc auf. »Wisst Ihr, was das kostet?«
»Natürlich. Aber Philipp gibt uns sechs Jahre Zeit, sodass der Bau die Stadt nicht überfordern sollte. Außerdem ist eine Königspfalz gut für den Handel. Ein Hoftag lockt jedes Mal Hunderte Edelleute und Kirchenmänner in
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