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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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die Stadt – und sie alle kaufen unseren Wein, unser Salz, unser Vieh. Nicht zu vergessen Euer Obst und Getreide«, sagte Michel zu Leblanc.
    »Trotzdem hättet Ihr Euch nicht über unsere Entscheidung hinwegsetzen dürfen«, meinte der Stadtbauer, doch sein Zorn hatte längst seinen Schwung verloren. »Dazu hattet Ihr kein Recht.«
    »Hört endlich auf, Euch über vergossene Milch zu beschweren«, mischte sich Eustache Deforest ein. »Was passiert ist, ist passiert. Freut Euch lieber, dass Herr de Fleury gerade fünfzig Männern das Leben gerettet hat. Ein paar Seelenmessen und eine Königspfalz sind dafür ein geringer Preis, finde ich.«
    »Es gibt noch eine dritte Bedingung«, sagte Michel.
    »Welche?«, fragte Leblanc argwöhnisch.
    »Der Privilegienbrief verbleibt vorerst in der Hofkanzlei. Wir bekommen die Rechte erst, wenn Philipp den Krieg gewonnen hat.«
    »Ich wusste es!«, fuhr Leblanc auf. »Ich wusste genau, dass es einen Haken gibt. Verdammt noch mal! Ihr habt Euch hereinlegen lassen wie ein Anfänger.«
    »Das wäre auch passiert, wenn wir uns auf Philipps anfängliche Forderung eingelassen hätten«, erwiderte Michel ruhig. »So stellt er sicher, dass wir unseren Teil der Abmachung einhalten und nicht zu Otto überlaufen.«
    »Konntet Ihr ihm nicht klarmachen, dass wir die Privilegien jetzt brauchen?«, fragte Duval.
    »Ich habe es versucht. Es war nichts zu machen.«
    »Sei’s drum«, sagte Le Roux. »Wir haben so lange auf diesen Tag gewartet – auf ein, zwei Jahre mehr kommt es nicht an. Ich gebe es nur ungern zu, aber das war gute Arbeit, Herr Bürgermeister.« Er klopfte Michel auf die Schulter.
    »Habt Dank, alter Freund. Jetzt lasst uns etwas trinken gehen. Mit Königen zu feilschen macht mich immer schrecklich durstig, um es mit Raymond Fabre zu sagen.«
    Lachend gingen die Männer zum Tor der Königspfalz. Sogar Archambaud Leblanc konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
    Auch Duval lächelte, als er seinen Gefährten folgte. In der Art und Weise, wie Michel ausschritt und mit den anderen scherzte, lag ein winziger Hauch von Selbstgefälligkeit, gut verborgen und nur zu erkennen für das geschulte Auge seiner engsten und besten Freunde.
    Duval schüttelte den Kopf. Manchmal wusste man wahrlich nicht, ob man diesen dreisten Burschen umarmen oder ohrfeigen wollte.
    B ITCHE
    E s war ein Loch tief unter den Kellergewölben der Burg, eine feuchte Felsenkammer, in die niemals je ein Sonnenstrahl gelangte. Zu niedrig zum Stehen, zu eng, um sich hinzulegen, mit fauligem Stroh auf dem Boden und einem Eimer für die Notdurft in der Ecke. Aristide wusste nicht, wie lange er bereits in seiner Zelle kauerte, Tage, Wochen – Zeit verlor hier unten jegliche Bedeutung. Wenn er nicht schlief, saß er mit dem Rücken an der Wand, ein Bein ausgestreckt, das andere angewinkelt, und betrachtete den schmalen Lichtstreif unter der Tür. Manchmal öffnete sich die Pforte, ein feister und bleicher Knecht kam herein und warf ihm heimtückisch grinsend etwas Brot oder einen Napf mit ungesalzenem Brei hin. Aristide nahm sich jedes Mal viel Zeit für das Essen, wenngleich es scheußlich schmeckte. Lange kaute er jeden Bissen, bevor er ihn schluckte, denn seine Sinne, ausgehungert durch die Stille und die ewige Finsternis, lechzten nach jedem kleinen bisschen Gefühl. Wenn sein Rücken zu schmerzen begann oder seine Glieder steif wurden, machte er einige einfache Übungen, so gut es die Enge eben zuließ. Dass in der Gefangenschaft seine Muskeln verkümmerten, war seine größte Sorge, denn wäre erst sein Körper schwach, würde auch sein Wille nachlassen, und dann hätte Ferry ihn gebrochen.
    Das wird nicht geschehen, schwor er sich hundertmal, tausendmal. Eher schlage ich mir an der Wand den Schädel ein.
    Wirre Träume suchten ihn heim, kaum dass ihn die Müdigkeit übermannte, von Velin, Gislebert, seinem Vater Renard, dem alten Teufel, von de Fleury und den anderen Krämern, die ihn auslachten und »Bettelritter« nannten. Die Bilder waren echter als die Wirklichkeit in diesem dunklen Kerker, höhnisch tanzten sie durch seinen schlafenden Geist, als hätte sich ein boshafter Dämon in seiner Seele eingenistet, um ihn ohne Unterlass zu quälen. Stets verspürte er hilflosen Zorn, wenn er erwachte, und mehr als einmal brüllte er bis zur Heiserkeit und schlug sich die Faust an der Felswand blutig.
    Eines Tages schwang knarrend die Tür auf. Rotes Licht flutete herein, seine Augen brannten, und er schirmte sie

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