Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
Vom Netzwerk:
mit der Hand ab. Jemand sprach zu ihm – es war nicht der Kerkermeister.
    »Schaut Euch an«, sagte Ferry der Jüngere. »Ihr liegt da wie ein Schwein im eigenen Dreck. Dieser Gestank – einfach widerwärtig.«
    Blinzelnd öffnete Aristide die Augen. Ferry stand auf dem Gang vor der Zelle, in der Hand eine Fackel, und starrte ihn an.
    »Ich danke Gott, dass Yolande Euch nicht sehen muss. Der Abscheu würde sie um den Verstand bringen.«
    Aristides Stimmbänder waren rau und verklebt. Mühsam formten seine Lippen Worte. »Wo ist sie?«
    »In einem Kloster bei Metz, zusammen mit ihren Töchtern. Die Schande, die Ihr über sie gebracht habt, hat ihr das Herz gebrochen. Sie wird den Rest ihres Lebens im Gebet verbringen.«
    Krächzende Laute drangen aus Aristides Kehle – Gelächter. »Das glaubt Ihr doch selbst nicht. Wahrscheinlich kniet sie gerade in ihrer Zelle, die Hand an der Punze, und lutscht einem Abt den Schwanz.«
    Mit zwei schnellen Schritten war Ferry bei ihm und drückte ihm die Kehle zu.
    »Na los«, brachte Aristide hervor. »Tötet mich. Das ist es doch, was Ihr wollt.«
    »Nein. Ich will, dass Ihr um Gnade winselt. Dass Ihr auf den Knien vor all meinen Vasallen durch den Saal rutscht und Eure Sünden bekennt.«
    Anstelle einer Antwort bleckte Aristide die Zähne. Ferry stieß ihn ins Stroh.
    »Gut. Dann verrottet in diesem Loch bis zum Jüngsten Tag.«
    »Ferry«, krächzte Aristide, woraufhin sich der Edelmann noch einmal zu ihm umwandte. »Wieso hat Velin mich verraten? Wollte sie Geld von Euch?«
    »Euer spezieller Freund hat sie gezwungen. Der Kaufmann.«
    »De Fleury?«
    »Er hat sie hergebracht.« Ferry spuckte aus, und die Tür fiel ins Schloss.
    Aristide presste die Hände auf den Boden und stemmte sich hoch, bis er die Wand im Rücken spürte. Noch lange, nachdem Ferry gegangen war, spürte er dessen Finger an seiner Kehle.
    De Fleury. Ich wusste es. Ich wusste es.
    Er schloss die Augen und murmelte in der Dunkelheit seines Kerkers einen Schwur.

August 1204 bis April 1206

    V ARENNES -S AINT -J ACQUES
    G leich nach ihrer Heimkehr begannen die Ratsherren, ihren Teil der Vereinbarung mit Philipp von Schwaben zu erfüllen. Sie gründeten eine Stiftung, die es den Domherren Varennes’ ermöglichte, von nun an jedes Jahr für Kaiser Friedrich eine Seelenmesse zu lesen, damit Barbarossa dereinst frei von jeder Sünde vor das Jüngste Gericht treten konnte. Isoré Le Roux ritt derweil nach Metz und fand einen fähigen Baumeister, der zwei Wochen später ein Haus an der Grande Rue bezog und den Sommer über Pläne für eine Königspfalz ausarbeitete. Der Bau begann Mitte September. Nördlich der Stadt neben der Römerstraße hoben ganze Scharen von Arbeitern Gruben für die Fundamente der mächtigen Anlage aus.
    Es war der letzte Schritt auf Varennes’ Weg zur Freiheit – aber auch der langwierigste. Weder in diesem noch im nächsten Jahr endete der Krieg. Obgleich sowohl Philipp als auch Otto neue Verbündete um sich scharten und dem Feind Gefolgsleute abwarben, gelang es weder dem Staufer noch dem Welfen, einen entscheidenden Sieg zu erringen. Also ging das Töten und Sterben weiter.
    Michel und die Ratsherren schafften es, eine Hungersnot abzuwenden, indem sie in den Nachbarstädten ganze Wagenladungen Getreide und Gemüse aufkauften. Die Steuereinnahmen, die nicht in die städtischen Kornkammern und die Königspfalz flossen, verwendeten sie, um den ehemaligen Bischofspalast zum Rathaus umzubauen. Außerdem ließen sie Varennes’ Straßen pflastern, die Brunnen säubern und weitere Backöfen und ein neues Spital errichten, um dem einfachen Volk das Leben zu erleichtern. Die Leute dankten es ihnen, indem sie fast alle Ratsherren im kommenden Jahr und im Jahr darauf wiederwählten. Lediglich Isoré Le Roux und Adrien Sancere traten nicht mehr zur Wahl an, weil sie sich um ihre Geschäfte kümmern wollten. Ihre Plätze nahmen René Albert und Girard Voclain ein.
    Aimery Nemours starb im Winter 1205 friedlich in seinem Bett. Zu seiner Bestattung kamen über dreihundert Menschen, denn auf seine alten Tage hatte der Ministeriale die Herzen vieler Bürger gewonnen. An seiner Stelle wurde Philippe de Neufchâteau Ratsherr.
    Wenn Michel und die anderen Kaufleute im Rat nicht für die Stadt arbeiteten, betrieben sie Handel. Trotz des Krieges im Osten florierten die Geschäfte, sie reisten in die Champagne, nach Burgund, Italien, England, und brachten exotische und begehrte Waren in die Heimat zurück.

Weitere Kostenlose Bücher