Das Salz der Mörder
nicht mehr. Also, was willst du?“
„Oh!?
Ich will gar nichts - du wolltest doch etwas. Ich habe das Geld dabei. Wenn es
dir nichts ausmacht, fahren wir zu meinem Hotel und du kannst die gewünschte
Summe sofort mitnehmen. Die Tasche ist im Hotelsafe. Ich wollte nicht das Risiko
eingehen und unsere gesamten Ersparnisse durch die dunkle, winterliche
Landschaft kutschieren.“
„Du
hast das ganze Geld im Hotelsafe? Das nenne ich eine gelungene
Silvesterüberraschung. Tante Lisa, dafür bekommst du einen riesengroßen Kuss
von deinem Neffen. Warum habt ihr es denn nicht überwiesen? Hättest dir die
ganzen Strapazen ersparen können.“
„Nun,
dass mit den Kontoüberweisungen, die du vorgeschlagen hast, wäre uns zu
offiziell und suboptimal zu verbuchen gewesen. Verstehst du, was ich meine?“
„Du
wirst mir jetzt nicht erzählen wollen, dass ihr plötzlich mittellos dasteht. Im
Übrigen siehst du mit deinen vierzig Jahren noch recht attraktiv aus“, hauchte
er ihr charmant ins Ohr. Daraufhin stand er auf und rief lächelnd: „Friedrich,
bitte füllen Sie unsere leeren Gläser nach. Uns dürstet nach diesem göttlichen
Trunk! Es gibt schließlich ein kleines Fest zu feiern.“
Der
Diener tat, was ihm befohlen wurde in gleicher Weise wie zuvor und nahm danach
erneut am vorherigen Platz seine überwachende Stellung ein.
„Bist
du schon länger in München?“ fragte Michael, nach dem ersten prickelnden
Schluck aus dem Glas. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in eurem
Psychokaff solche eleganten Klamotten zu kaufen gibt. Du siehst wirklich gut
aus. Sei mir nicht böse, wenn ich so offen spreche. Du musst entschuldigen, ich
hatte mir die nichteheliche Tochter meines liebeshungrigen Großvaters
eigentlich anders vorgestellt.“
„Ich
weiß nicht, wie du das meinst. Trotzdem: vielen Dank, Micha. Du siehst auch
nicht gerade wie Walter Sedlmayr aus.“
„Wie
kommst du denn auf diesen Vergleich? Der schwule Walter Sedlmayr ist 1990
bestialisch ermordet worden. Die Ermittlungen in diesem Fall wurden damals
übrigens von meinem Kommissariat geführt. Zu jener Zeit habe ich nicht im
entferntesten an München gedacht. Dass du mich ausgerechnet mit diesem
Volksschauspieler vergleichst, find ich nicht fair.“
„Bitte
entschuldige einer älteren Dame, ich habe es nicht so gemeint. Wo sind
eigentlich deine Frau und deine Schwiegereltern? Willst du mich ihnen gar nicht
vorstellen?“
„Oh,
das tut mir leid. Ingeborg ist zum Flughafen gefahren, um meinen Vater
abzuholen - deinen Schwager. Er kommt heute Abend von einem Kongress aus den
Staaten zurück. Meine Schwiegereltern sind in ihrer Firma bei einer
Betriebsfeier. Sie sollten längst hier sein. Alle werden gemeinsam in das Neue
Jahr hinein feiern. Und wie du ja selbst siehst, wird noch eine größere Anzahl
von honorigen Gästen bei den Aichingers erwartet. Nur der kleine Micha ist
nicht eingeladen.“
„Wie
geht es deinem Vater? Leider habe ich ihn nie kennen gelernt.“
„Er
ist ziemlich erfolgreich, seitdem er sich aus dem Schatten meiner ehemaligen
Mutter gelöst hat. Ich gönne ihm das.“
„Und
ich bin sicher, du wirst dich genauso schnell aus dem Schatten deiner Mutter
lösen, wenn du erst einmal das Geld hast und mit deiner jungen Frau auf einer
Weltreise unterwegs bist.“
„Sag
mal, Tantchen, schätzt du mich tatsächlich für so naiv ein? Es wird alles
weiterlaufen wie bisher. Ich werde wie immer zum Dienst gehen, meine
Ehepflichten unbefangen erfüllen und das erniedrigende Verhältnis zu meinem
Schwiegervater auch künftig schweigend erdulden. Stell dir vor, jeden Morgen
fragt er seine Tochter, ob sie schwanger sei. Vorerst verneint sie das stets,
und er ist heilfroh darüber. Ich glaube, jeder normale Vater wünscht sich
Enkelkinder, oder? Aichinger nicht, jedenfalls nicht von mir. Bevor ich mit
meinen ganzen Moneten auf Nimmerwiedersehen verschwinde, werde ich dem Alten
auf alle Fälle einen kleinen Micha in die Wiege legen. Dafür garantiere ich.
Doch bis dahin dauert es allerdings noch ein Weilchen. Inzwischen wird niemand
irgendetwas von meinem plötzlichen Reichtum erfahren. Nun ist aber Schluss -
ich rede viel zu viel. Lass uns nach München fahren. Um zehn beginnt mein
Dienst.“
Es
war achtzehn Uhr dreißig, als Elisabeth Radtke und Michael Aichinger, geborener
Hansen, in die schwarze Limousine einstiegen.
Der
Diener Friedrich schlug schweigsam und ohne Hast nacheinander die beiden
hinteren Wagentüren sanft zu und trat zur
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