Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Karatschi
Shahjahan blickte abwechselnd auf seine Uhr und in die jeweiligen Richtungen der einander gegenüberliegenden Eingänge. Jeden Moment erwartete er die Regierungsvertreter aus Islamabad; sie waren bereits 15 Minuten überfällig. Sander bemerkte Shahjahans Nervosität. ‚Haben die wirklich alles im Griff?‘, fuhr es ihm durch den Kopf. Er blickte sich um. Die Halle füllte sich trotz ihrer Weitläufigkeit mit beängstigender Geschwindigkeit. Offensichtlich wurde am Abend eine Hochzeit gefeiert, jedenfalls ließ die Kleidung der eintreffenden Gäste, insbesondere der zahlreichen Kinder, dies vermuten. Eine Hochzeit in Kreisen, die sich dies in einem 5-Sterne-Hotel leisten konnten, bedeutete spielend 500 und mehr Gäste. Entsprechend entwickelte sich das Gedränge, ganz besonders im Bereich der Rezeption und der Aufzüge.
Dann und wann wollten Platzsuchende sich innerhalb des Sitzgruppenareals niederlassen, in dessen Großzügigkeit sich Shahjahan und Sander verloren, doch sie wurden schon in größerer Entfernung von ‚unauffälligen‘ Herren, allesamt am unvermeidlichen Ohrhörer und der daran baumelnden Kabelwendel erkennbar, höflich aber bestimmt daran gehindert.
Sander beobachtete die Szene mit gespannter Aufmerksamkeit. Er hatte etwas schlafen können und fühlte sich schon wesentlich besser als an diesem Morgen. Er hatte viele Situationen im Leben überstanden, er würde auch diese überstehen. Hätte er gewußt, was sich an unterschiedlichen Orten um ihn herum zusammenbraute, seine Zuversicht wäre augenblicklich kollabiert. So aber registrierte er mit fatalistischer Gelassenheit, daß plötzlich bewaffnete Uniformträger strategisch verteilt in der Halle Position bezogen. Das geschah ohne Hektik, routiniert und offensichtlich häufiger, denn außer den Kindern nahm niemand Notiz davon.
„Ah!“ Shahjahan zupfte Sander am Ärmel. „Dort kommen sie.“ Sie, das waren zwei Personen in dunklen Anzügen, zu beiden Seiten eskortiert von etlichen Uniformierten, deren Hände lässig auf ihren am Schultergurt baumelnden Maschinenpistolen ruhten. Nun nahm auch die Menge Notiz von diesem Auftritt. Es wurde merklich stiller in der Lobby. „Der eine ist Asad Igbal Khan, Staatsminister, Chef des Board of Investment. Den anderen kenne ich nicht.“ Shahjahan schien jetzt noch aufgeregter. „Wenn die den Minister – zu dieser Jahreszeit! – nach Karatschi schicken, dann sagt das was! Dann ist etwas im Gange!“
Sander stellte mit unverhohlener Zufriedenheit fest, daß Shahjahan nun gestreßter wirkte als er. Zu seiner Verwunderung sah er, daß die Herren die so mühselig freigehaltene Sitzgruppe ignorierten und sich schnurstracks den Aufzügen zuwandten. Ein Offizier bedeutete Shahjahan, ihnen zu folgen. Die Schiebetür des linken Aufzugs stand geöffnet, als sie zu Igbal Khan und dessen Begleitung stießen. Der Offizier inspizierte den Fahrstuhl und forderte sie, vom positiven Ergebnis seiner Inspektion angetan, mit sichtlicher Zufriedenheit auf, einzutreten. Er legte den Notschalter in Betriebsstellung. Sich gegenüberstehend, fuhren sie, die Blicke unter verlegenem Lächeln kreuzend, schweigend zur sechsten Etage.
Cannon hatte das alles aus sicherer Entfernung beobachtet. Er starrte auf die Etagenanzeige des linken Fahrstuhlschachtes. ‚Die Sechste! Das macht die Sache nicht leichter.‘ Er bat an der Rezeption um seine Zimmerkarte: „Room 502, please!“ Die Türen von Sanders und seinem Zimmer lagen einander exakt gegenüber.
27. Juli, 14:25 Uhr Ortszeit; Harappa Room, Pearl Continental, Karachi
Sie hatten die Visitenkarten ausgetauscht und am Konferenztisch inmitten des Raums gerade Platz genommen, als Igbal Khan unvermittelt das Gespräch eröffnete: „Darf ich Ihnen zunächst Staatsminister Yusuf vorstellen?“ Yusuf erhob sich halb und verbeugte sich kurz. „Minister Yusuf ist seit Anfang des Monats Chef des Büros des Staatspräsidenten. Seine Anwesenheit unterstreicht die Wichtigkeit des Thar-Projekts für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes.“ Er machte eine Pause, als wollte er die Wirkung seiner Ausführungen abwarten. Yusuf lächelte gewinnend. Er wirkte auf Anhieb sympathisch, trotz seines Alters – er mochte so um die Mitte 50 sein – erfrischend jungenhaft.
Igbal Khan war etwa gleichen Alters. Im Gegensatz zu Yusuf war er spindeldürr. Sein ausgezeichnetes Englisch verriet die universitäre Ausbildung im Vereinigten Königreich. Igbal Khan sah
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