Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
von der Sache jedoch Wind bekommen. Islamabad stellt daraufhin das ursprüngliche Programm auf den Kopf: Statt nach Islamabad beordern sie Sander nach Karatschi. Wieder wird der Maulwurf aktiv; er informiert die Ölmafia über die Programmänderung, und die muß kurzfristig umdisponieren. Wir werden in Kürze sicherlich erfahren, was es mit der Hakennase auf sich hat ...“
Bassett griff zum Hörer und drückte die Wahlwiederholungstaste. „Sarah, wie weit seid Ihr? … Bekommt Ihr das heute noch hin? … OK, wir warten in meinem Büro.“ Er nickte Cannon unmerklich zu, fuhr zu dessen Leidwesen mit der Analyse fort: „Jetzt wird’s verrückt! Plötzlich wird ein Projekt in Belutschistan aus dem Hut gezaubert. Das macht ganz und gar keinen Sinn: eine andere Provinz, eine andere Bürokratie, das heißt, zusätzlicher Zeitaufwand, zudem eine gänzlich andere Kohlequalität und Abbautechnik und im Vergleich zur Thar ein vergleichsweise winziges Vorkommen. Was, zum Kuckuck, soll Sander dort? Der ist in der Thar viel wichtiger für das Land!“
Bassett nahm einen tiefen Schluck und schlug sich plötzlich vor die Stirn: „Mann, das ist es! Die benutzen ihn als Köder! Als die Absicht der Ölmafia durchsickerte, Sander zu liquidieren, lag es nahe, ihn als Köder zu nutzen! Durch die ständigen Ortswechsel will Islamabad die Widersacher aus der Deckung locken, deren Strukturen und Hintermänner enttarnen. Die Ölmafia muß handeln, Sanders Präsenz zwingt sie dazu. Sie muß aus der Deckung kommen! Nur Sanders Liquidierung verschafft ihr die Luft, sich neu zu gruppieren und das Vorhaben des Staatspräsidenten – mit welchen Maßnahmen auch immer – zu torpedieren. Immerhin sind schon vier Attentate auf ihn verübt worden, dem letzten entkam er nur mit knapper Not. Wir denken in diesem Zusammenhang immer an Taliban, Al Qaida, islamistische Fundamentalisten. Das sind nur die Instrumente! Tatsächlich geht es um Pfründe, Macht und Mammon!“
Cannon zog die Stirn kraus. „Ich halte es für mehr als bedenklich, einen Unbeteiligten als Köder zu benutzen, wohl wissend, daß sich dessen Tage in diesem Fall an einer Hand abzählen lassen.“ Er nahm einen Schluck, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Bassett wehrte ab. „Nun werden Sie mal nicht sentimental! Sander ist kein Heiliger. Er kennt die Risiken! Er will in der Thar Geld verdienen, wie alle anderen. Der kommt nicht aus reiner Nächstenliebe! Und was machen wir denn? Auch wir nutzen Sander als Köder! Ich habe das gestern nicht so deutlich herausgearbeitet, weil wir uns noch im spekulativen Bereich bewegen. Dies gilt weniger für die Vorgänge in der Thar als vielmehr den plötzlichen Aktionismus in Belutschistan. Zählen wir auch hier die Fakten auf!“
Bassett überhörte geflissentlich den Seufzer des jungen Kollegen, begann mit der ihm eigenen Pedanterie, akribisch Position um Position aufzulisten: „Im Gegensatz zur pakistanischen Öl-Mafia sind die USA vorrangig an der Realisierung ihres TAP-Projektes, der Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Erdgaspipeline, interessiert. Nicht nur Pakistan soll hierüber beliefert werden, es soll auch Erdgas zur Versorgung südasiatischer Großverbraucher an der Küste verflüssigt werden – ein gigantisches Geschäft! Also bestimmt auf beiden Seiten die Aussicht auf Profit das Geschehen; insofern unterscheiden wir uns nicht so sehr von der pakistanischen Öl-Mafia ...“
Cannon fiel ihm ins Wort: „Wir morden nicht Unbeteiligte!“
Bassett schaute ihn einen Moment irritiert an. „Mann, wir führen Krieg in Afghanistan! Da geht‘s nicht nur um Demokratie, da geht‘s knallhart auch um wirtschaftliche Interessen! Wie soll sonst turkmenisches Erdgas an die Küste des Indischen Ozeans gelangen? Das ist es, was mich so ankotzt! Diese pharisäerhafte Verlogenheit – auf beiden Seiten! Die Islamisten setzen im Namen Gottes Bomben, Minen und Mörser ein, wir im Namen der Demokratie Cruise Missiles und F16. Wo liegt da der Unterschied, moralisch, meine ich? Aber man ist Soldat. Man hat einen Eid geschworen, und allein die Politik bestimmt, ob man eines Tages vor Gott steht oder im Fegefeuer landet. Übrigens, haben Sie gedient? Ich sah hierüber keinen Hinweis in Ihrer Personalakte.“
„Ich zog die akademische Laufbahn vor.“
Bassett verzog das Gesicht. „Reden wir später darüber! Machen wir erst mal weiter mit der Bestandsaufnahme!“ Er bemerkte Cannons schielenden Blick auf die Uhr. „Hören Sie, John,
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