Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
fortgesetzt Sander an, Shahjahan schien für ihn nicht präsent. „Minister Yusuf und ich möchten die Dankbarkeit der pakistanischen Regierung zum Ausdruck bringen, daß Sie der Einladung so rasch gefolgt sind. Wir stehen in diesem Land vor weitreichenden Entscheidungen und sind glücklich über jede professionelle Hilfe. Gleichzeitig möchte ich unser Bedauern betonen, daß Sie Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen mußten, deren Ursache Ihnen Mr. Shahjaran, wie ich vor meinem Abflug erfuhr, bereits schilderte. Seien Sie versichert, daß alle Maßnahmen zu Ihrer Sicherheit getroffen wurden.“
Er lächelte Sander gewinnend zu. „Möchten Sie Tee?“ Ohne die Antwort abzuwarten erhob er sich, nahm die in der Mitte stehende Kanne und goß ein. „Bitte bedienen Sie sich!“ Er wies auf die randvoll mit Gebäck und Obst gefüllten Schalen. „Gestatten Sie mir, fortzufahren. Wie gesagt, es wird von unserer Seite alles, ich wiederhole, alles getan, jedwede Gefahr von Ihnen fernzuhalten. Dennoch bin ich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, daß die pakistanische Regierung vollkommenes Verständnis dafür hätte, sollten Sie angesichts dieser Situation es vorziehen, umgehend die Rückreise anzutreten.“
Igbal Khan schaute Sander fest in die Augen. Sein Blick ließ den Grad der Spannung erkennen, die ihn in diesem Augenblick umtrieb. Sander schossen Gedankenfetzen wie Leuchtspurgeschoße durch den Kopf. Da sah er sie wieder, die Situationen gegen Ende des Krieges in Bosnien, als er im Auftrag der EU eine Bestandsaufnahme des Stahlwerkes in Zenice durchführte, die Ereignisse im Irak oder Iran während des irakisch-iranischen Krieges, von denen jedes das letzte seines Lebens hätte sein können, die Gefahren während des Aufstands in Natal. Tausendmal hatte er sich geschworen, vernünftiger zu werden. Wer oder was um alles in der Welt sollte ihn davon abhalten, angesichts eines auf ihn angesetzten Killerkommandos Pakistan unverzüglich den Rücken zu kehren? Was hatten ihm all diese Wagnisse gebracht? Im Grunde genommen nichts – jedenfalls stand das Positive, sofern es überhaupt Positives gab, in keinerlei Verhältnis zu den real durchlebten Alpträumen. Seiner Familie hatte er nie darüber berichtet. Angesichts dieser Erfahrungen konnte und durfte nur die Vernunft siegen: Sachen packen, umbuchen, das nächste Flugzeug nehmen!
„Ich bleibe.“ Das war nicht seine Stimme, die da sprach! Sander konnte es im Grunde selbst nicht fassen, daß er auch jetzt wider jede Vernunft, wider alle Lebenserfahrung handelte. Es schien verhext. Wie oft schon stand er vor solcher Situation, und jedes Mal entschied er sich für das Risiko. Er wußte nicht, was ihn trieb: Abenteuerlust, Eitelkeit, schiere Dummheit? Angesichts ihres prinzipiell ungünstigen Ausgangs stellte er sich die Frage erst gar nicht.
„Sie bleiben?“ Igbal Khans unverhohlenes Staunen riß Sander aus dem Gewirr ungeordneter Gedanken. Er nahm Khans Erstaunen irritiert zur Kenntnis. Am liebsten hätte er jetzt den Rückzug angetreten, signalisierte es ihm doch, daß man mit einem solchen Ergebnis nicht tatsächlich gerechnet hatte. Hatte Shahjahan ihm wirklich alles gesagt? Doch trotz seiner Zweifel, trotz der inneren Zerrissenheit wußte er, er würde seine Zusage nicht rückgängig machen.
Minister Yusuf hatte sich spontan erhoben und war um den Tisch geeilt. Sander saß wie in Trance, als Yusuf seine Rechte in beide Hände nahm. „Dieses Land wird Ihnen dies nie vergessen! Möge Gott, der Allmächtige, Ihren Weg begleiten und schützend seine Hand über Sie halten!“ Es war dieses God, The Almighty, das Sander schlagartig den Irrsinn der allenthalben aufflackernden Kreuzzug-Hysterie ins Bewußtsein hämmerte: Die abrahamitischen Religionen basierten samt und sonders auf ein und demselben Gott! Es waren die Menschen, die sich in kleingeistiger Eifersucht ergingen, wie dieser Gott zu preisen sei. Sie waren bereit, für Ihr vorgebliches Auslegungsmonopol Kriege zu führen, vor tausend Jahren schon, heute wieder.
27. Juli, 14:30 Uhr Ortszeit; Executive Floor, Pearl Continental, Karatschi
Cannon tippte eine kurze Ziffernfolge in sein Handy und horchte auf das Rufzeichen. Die Verbindung stand in wenigen Sekunden. „Missisipi. Ich geh‘ jetzt rein. Wo sind die Kameraden? ... Im Harappa Room? OK, dann weiß ich Bescheid.“ Er klappte das Handy zu, steckte es in die Brusttasche. Er hatte bereits alle erforderlichen Utensilien in einem Wäschebeutel des Hotels
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