Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Gäste aus Deutschland, wir heißen Sie im Namen der Provinzregierung und der Minenbesitzer herzlich willkommen. Wir wünschen Ihnen, ganz besonders auch uns, daß Ihr Abstecher nach Belutschistan von Erfolg gekrönt sein möge. Wir danken für Ihre spontane Bereitschaft, sich der Unbequemlichkeit einer Minenbegehung zu unterziehen. Im Gegensatz zu Deutschland fahren wir nicht mit dem Förderkorb ein, sondern gehen von der Bergflanke aus horizontal in das Gebirge. Erst vor Ort erfolgen die Vertikaltransporte. Das ist hier, topographisch und geologisch bedingt, die Besonderheit. Der Abbau gestaltet sich außerordentlich schwierig, Sie können sich davon heute nachmittag selbst ein Bild machen. Ich hatte das Glück, in Deutschland Bergwerke an der Saar und im Ruhrgebiet besichtigen zu können, und war beeindruckt vom hohen Mechanisierungsgrad unter Tage. Wir werden diesen Standard hier nie erreichen, wir streben ihn auch nicht an. Wir würden uns jedoch glücklich schätzen, wenn das Ergebnis Ihrer Analyse dazu führte, daß hier und da die Verwendung freiwerdender deutscher Ausrüstungen der Gesundheit und Sicherheit unserer Bergleute zugute käme, deren Arbeit erleichtern und den Ertrag unserer Minen steigern würde.“ Er blickte sich um, als wollte er sich der Wirkung seiner Ansprache vergewissern. Zustimmendes Kopfnicken. Mit erkennbarer Zufriedenheit fuhr er fort: „Da wir zeitlich in Verzug sind, schlage ich vor, daß wir sofort aufbrechen, um den Betrieb der Mine nicht länger als unvermeidlich zu beeinträchtigen. Mr. Sander, Mr. Weißenfels und Mr. Franken, Sie bekommen jeder einen Land Rover zugeteilt. Ahmed Sharif und Ali Asif fahren mit mir und dem Rest der Eskorte im Bus. Folgen Sie mir bitte!“ Er wies zur Tür, Zeichen zum Aufbruch.
Rasch durchschritten sie die Eingangshalle, um zu den wartenden Fahrzeugen zu gelangen. Sie setzten sich auf die knochenharten Längsbänke der ihnen jeweils zugewiesenen Land Rover. Die hinter ihnen in die Wagen drängende jeweils dreiköpfige Leibwache machte nicht den Eindruck, des Englischen mächtig zu sein. Die Kombination aus staubbedeckter Chitrali Topi, rotweiß kariertem, über den Mund gezogenem Halstuch, verwaschener Uniform und Kalaschnikows mit deutlichen Gebrauchsspuren hatte etwas Wildes, Partisanenhaftes. Sander dachte an Iqbal Khans Drängen: ‚Befolgen Sie unbedingt die Anweisungen der Eskorte!‘ Wie sollte er Anweisungen befolgen, die er nicht verstehen würde?
Die Fahrer, die bis dahin in der Nähe des Autobus um einen ebenfalls Uniformierten standen und von diesem offensichtlich Instruktionen bekamen, rannten zu den Fahrzeugen, sprangen auf ihre Sitze, glühten die altertümlichen Diesel vor und erweckten sie – unter Ausstoßen gewaltiger Rußwolken – tatsächlich zum Leben. Sander lächelte gewinnend in die Runde, erntete jedoch keinerlei Kenntnisnahme. Sein Geleitschutz schien ihn nicht zu bemerken. Mit einem Ruck begannen vierzig Kilometer anhaltender Schweigsamkeit.
Sie durchfuhren in der Peripherie Quettas niedrig bebaute Straßenzüge, die verlassen in der glühenden Sonne lagen, hier und da das miteinander verschmelzende Grau, Gelb und Braun der Straßen und Gebäude unterbrochen vom Dunkel der wenigen scharfkantigen Schatten. Sie passierten ein kleines Kohlekraftwerk und verließen bald darauf den Siedlungs- und Obstplantagengürtel. Es empfing sie eine karge, staubtrockene, zunehmend gebirgiger werdende Landschaft, in die sich vereinzelte Sträucher und armselige, ihr dürres Geäst klagend ausstreckende Bäume duckten, als wollten sie sich vor der unbarmherzig brennenden Sonne schützen. Die flimmernde Luft über dem bröckeligen Straßenbelag schien zu kochen.
Ihre Fahrt wurde schlagartig langsamer, als die von der Last Tausender Lkw strapazierte Straße von einer unbefestigten, dennoch brettharten, knochentrockenen Piste abgelöst wurde. Durch die rotbräunliche Staubfahne des vorausfahrenden Busses war diese nur schemenhaft zu erkennen. Auch der Blick zurück endete nach wenigen Metern in rasch sich schließenden Wirbeln, die zuweilen die Konturen des nachfolgenden Fahrzeugs eher erahnen denn erkennen ließen. Den letzten Land Rover, in ihm saß Franken, hatte der Staub gänzlich verschluckt. Sander entging nicht, daß die Eskorte ihre Sitzposition geändert hatte. Die Kalaschnikows, bisher zwischen den Knien auf dem Fahrzeugboden abgestellt, lauerten nunmehr in den Armbeugen, die Mündungen schußbereit nach außen gerichtet.
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