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Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Titel: Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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sollten?“
    „Skeptische Zurückhaltung?“ hob Khan an, als wolle er Zeit gewinnen. „Wissen Sie, die Minenbesitzer Belutschistans sind erzkonservativ. Schon zu Zeiten der Engländer belieferten Sie ausschließlich die örtlichen Ziegeleien. Daran hat sich bis heute nichts geändert, sieht man von dem kleinen Kohlekraftwerk in Quetta, gerade ’mal 15 Megawatt, ab. Weit über 90 Prozent ihrer Produktion gehen nach wie vor in die Ziegelindustrie. Die Abnahme unterliegt saisonalen Schwankungen und die Kohleförderung hat sich seit jeher diesem Umstand angepaßt. In der Saison gehen die Mineure in den Berg, außerhalb der Saison hüten sie das Vieh. Wozu diese Situation ändern, wenn hierzu jeglicher Anreiz fehlt? Obwohl in Belutschistan Pakistans höchstwertige Kohle abgebaut wird, findet sie außerhalb der Region, zum Beispiel im Industriegürtel Karatschis, kaum Absatz, da die hierzu erforderliche Infrastruktur fehlt. Was würden Sie denn unter solchen Rahmenbedingungen mit der Überschußkohle machen? Wo wären Ihre Abnehmer, Ihr Markt?“
    Er sah Sander an, als erwarte er eine Antwort. Nach einem Moment vergeblichen Wartens fuhr er fort: „Sehen Sie, es gibt keine zusätzlichen Abnehmer! Es besteht seit Urzeiten ein Gleichgewicht zwischen Produktion und gesichertem Verbrauch. Und nun kommen einige schlaue Leute aus Islamabad, die präsentieren zu allem Überfluß auch noch Experten aus Europa und erklären, daß man mit der richtigen Ausrüstung sicherer und mehr produzieren kann. Sicherer ließe man sich ja gefallen – Sie haben sicherlich die Grabstelen an den Berghängen gesehen. Aber mehr? Wohin damit, solange die Infrastruktur nicht mithält? Also befürchten sie, daß das Mehr an Kohle letztendlich zu einem Preisverfall führt. Sie hätten Zinsen und Tilgungen für die Mechanisierung zu zahlen, ohne ihre Einnahmen steigern zu können! Worin liegt der Sinn, Kohle auf Halde zu produzieren? Offen gestanden, ich könnte die Frage nicht zufriedenstellend beantworten. Verstehen Sie jetzt die Skepsis der Mineure?“
    Sander hatte verstanden. „Warum treiben wir dann den ganzen Aufwand?“
    Khan, der gerade nach seiner Lammkeule greifen wollte, hielt inne. Diese Frage hatte er befürchtet. „Weil Ihre und unsere Regierungen davon überzeugt sind, das Richtige zu tun. Da kommt jemand, der es vermutlich sogar gut meint, auf die Idee, freiwerdende Industrieausrüstungen an vermeintlich notleidende Staaten weiterzugeben, ohne zu erkennen, daß er traditionelle Gleichgewichte damit zugrunde richtet. Die Ministerialbürokratie entscheidet weitab vom Schuß, sei dies in Berlin oder in Islamabad. Hier in den Bergen zählt Tradition. Tradition kann nur in einem ausbalancierten Umfeld dauerhaft überleben. Jeder Eingriff, der die Balance stört, wird bekämpft und läuft – speziell in dieser Region – irgendwann ins Leere.“
    „Aber sie haben Pferde und Esel durch Dieselloks ersetzt! Dann gibt es doch Fortschritt in dem einen oder anderen Bereich, ohne gleich das ganze Gleichgewicht aufs Spiel zu setzen!“ Sander glaubte mit innerer Genugtuung, ein Argument gefunden haben, das Khan nicht ohne weiteres würde aushebeln können.
    „Die Loks bekamen wir in den 50er Jahren. Haben Sie gesehen, wie viele von ihnen nutzlos herumstehen und verrotten? Auch das war keine durchdachte Aktion! Nicht der Materialtransport außerhalb der Mine ist das Problem, sondern innerhalb der Mine besteht der Engpaß! Sie werden das nachher rasch erkennen. Der Übergabepunkt für den Loktransport liegt knapp 100 Meter im Berg, soweit die natürliche Bewetterung dies zuläßt. Von da an zählt bis vor Ort nur Muskelkraft, nämlich die der Bergleute! Ein Esel, geschweige denn ein Pferd, hat es aus Platzgründen bis dorthin noch nie gebracht!“
    Sander erkannte, daß die Fortsetzung dieses Gespräches ohne genügende Kenntnis der lokalen Besonderheiten ihn bloßstellen würde. Er feilte in Gedanken an einer abschließenden Bemerkung, als sich Franken unvermittelt an Weißenfels wandte: „Gehen wir da trotzdem rein? In die Mine, meine ich – trotz der angekündigten Nachbeben?“
    Weißenfels, auf die plötzliche Frage nicht vorbereitet, kaute heftig an seinem Fladenbrot, würgte das immer noch zu große Stück hinunter und schaute Franken mit hervortretenden Augen überrascht an. „Na klar! Wozu sind wir hier?“
    „Ich meine, nach einem Beben in so eine Mine ...“
    Weißenfels ließ ihn nicht ausreden. „Das Beben war gestern! Das

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