Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
durchfedernd die Feldbahntrasse und folgten den Spurrillen, die links an der Gebäudeansammlung vorbeiführten. Unvermittelt hielt die Kolonne. Rechter Hand öffnete sich ein Innenhof, in dem eine Gruppe von vielleicht zwanzig Personen versammelt war. Heftig gestikulierend machten einige auf irgendein Ereignis über ihren Köpfen aufmerksam.
Als das Expertenteam den Fahrzeugen entstieg, hob der vor der Versammlung Stehende die Hand. Augenblicklich erstarb jegliche Unterhaltung. Sander, neugierig geworden, blickte in die Richtung, in die ein Teil der Versammelten in augenscheinlicher Aufgeregtheit gezeigt hatte. Er blickte auf den Gebirgsriegel, der sich wie eine uneinnehmbare Festung steil und abweisend über den Tunnelmund spannte. Außer einer kleinen, langsam den Hang hinab gleitenden Staubfahne fiel ihm nichts auf. Staub, das hatte er inzwischen zur Genüge erfahren, war in dieser Region etwas Alltägliches. Sander wendete sich der Versammlung zu. Mit einer Handbewegung forderte deren Anführer die Besucher auf, in ihren Kreis zu treten; mit einer weiteren Geste bedeutete er der Eskorte, bei den Fahrzeugen zu bleiben. Erst jetzt erkannte Sander, daß die meisten Anwesenden bewaffnet waren. Das waren keine Bergleute! Ihr Gesichtsausdruck hatte etwas Herrisches, Unnahbares. Dunkle Augen funkelten unter buschigen Brauen, in den Blicken eher Ablehnung denn herzliches Willkommen. Die ganze Atmosphäre hatte etwas nicht Einschätzbares, Drohendes. Sein Gefühl sagte ihm, daß hier etwas nicht stimmte, und sein Gefühl trog ihn selten. Er würde auf der Hut sein.
Der Anführer hieß mit einer auf das Wesentliche reduzierten Geste Muhammad Khan, an seine Seite zu treten. Jetzt wurde auch dem Letzten klar, wer hier das Sagen hatte. Sie wechselten einige Worte in Baluchi, bis sich Muhammad Khan den Gästen zuwandte: „Meine Herren, ich heiße Sie im Namen Haji Usman Siddiqis, Sprecher der Balochistan Mine Owners‘ Association und Besitzer der Sulaiman-Mine, willkommen. Haji Siddiqi bittet Sie, ihm in das Gebäude zu folgen. Er lädt Sie dort zu einem Imbiß ein. Anschließend erhalten Sie eine Einweisung sowie die Ausrüstung für die Minenbegehung.“
Sie durchquerten den Innenhof und betraten einen annähernd 100 Quadratmeter messenden Kantinenraum. Der ‚Imbiß‘ entpuppte sich als opulentes Mahl. Zahllose Schüsseln bedeckten einen über die gesamte Raumlänge reichenden Tisch, randvoll gefüllt mit unterschiedlich zubereitetem Lammfleisch und Geflügel, flankiert von Reis, frischem Gemüse und wahren Gebirgen kunstvoll arrangierten Obstes, an den jeweiligen Enden eingerahmt von ausufernden Türmen frisch gebackenen Fladenbrotes. Auf den Tischen standen Karaffen, teils mit Säften, teils mit Wasser gefüllt. In einem halbdunklen Nebenraum köchelte Tee auf einer Gasflamme.
Siddiqi gab ihnen mit einer seiner kompromißlosen Gesten zu verstehen, gemeinsam mit Muhammad Khan an seinem Tisch Platz zu nehmen. Während sich die Bediensteten umher huschend ihrer Teller annahmen, entspann sich ein für Sander unverständlicher Dialog zwischen Siddiqi und Khan. Das Wort ‚Dialog‘ traf den Sachverhalt nur unvollkommen. Es war eher Siddiqis temperamentvoller Vortrag, der dann und wann von einer Anmerkung Khans unterbrochen wurde, was die noch temperamentvollere Fortsetzung der Ausführungen Siddiqis zur Folge hatte. Sander glaubte herauszuhören, daß die Unterhaltung kontrovers geführt wurde. Er bemerkte, daß Franken aufmerksam dem Gespräch folgte. Jedenfalls erweckte er diesen Eindruck. Sander erinnerte sich, daß Franken im Flugzeug nach einer Zeitung in persischer Schrift gegriffen hatte. Er hatte ihn tatsächlich unterschätzt. Er würde Franken im Bergwerk fragen, über was die beiden bei Tisch gestritten haben.
Siddiqi brach die Diskussion abrupt ab. Er wendete sich den Gästen zu und gab zu erkennen, daß das Mahl allein ihnen zu Ehren geboten würde und sie aufgefordert seien, hiervon reichlich Gebrauch zu machen. Plötzlich schien man alle Zeit dieser Welt zu haben. Die Begehung der Mine spielte zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht die geringste Rolle. Siddiqi entschuldigte sich mit einer angedeuteten Beugung des Kopfes, stand auf und machte die Runde von Tisch zu Tisch. Sander nutzte die Gelegenheit. „Mr. Khan, mir fiel auf, daß die Begrüßung in Quetta, aber auch hier, teilweise mit spürbarer, vorsichtig ausgedrückt, skeptischer Zurückhaltung ausfiel. Hat das einen Grund, den wir wissen
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