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Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Titel: Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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Deutlich war die Anspannung zu spüren. Dennoch hatte die Szene etwas Operettenhaftes. Sander war sich dessen bewußt, daß sie aus dem Staub heraus nicht die geringste Chance hätten, ein Ziel auszumachen, selbst aber ein um so optimaleres abgeben würden. Würde der Bus gestoppt, säßen sie in der Falle. Es würde Minuten dauern, bevor der Staub sich gelegt und sie Schußfeld hätten. Bis dahin würden die Angreifer die Sache zu ihren Gunsten entschieden haben – sie brauchten nur in das Gewoge zu feuern. Sander spürte aufkommendes Unbehagen.
    Ohne Rücksicht auf Sanders Gedanken zog die Kolonne unbeirrt ihres Weges. Trotz der geringen Geschwindigkeit wurden die Insassen in den starrachsigen Vehikeln durchgeschüttelt wie ein Cocktail bei der Zubereitung. Horizontweites Rotbraun war nun der bestimmende Farbton, der diffus da und dort durch die Staubwirbel schimmerte. Die Fahrt verlangsamte sich nochmals, als die Piste, in engen Kehren Höhe gewinnend, dem Scheitelpunkt des sich zunehmend verengenden Taleinschnitts entgegen strebte. Plötzlich war der Blick frei auf die vom extremen Wechsel der Tages- und Nachttemperaturen zermürbten Hänge. Knapp 200 Meter beidseitig der Piste aufragend erlaubten sie den steilen Blick in einen azurblauen Himmel. Das satte, pralles Leben verkörpernde Blau bildete einen bemerkenswerten Kontrast zur farblichen Eintönigkeit der ausgedörrten Gebirgslandschaft. Sander bemerkte überrascht, daß sich bei diesem Anblick schlagartig seine Stimmung besserte: Plötzliche Zuversicht verdrängte die unterschwellig spürbare Furcht.
    Die Kolonne quälte sich die letzten Serpentinen hinauf, um 100 Meter unterhalb der Kammlinie den Scheitelpunkt des Paßes zu erreichen. Unvermittelt öffnete sich zwischen den zurückweichenden Bergflanken eine Hochebene, an deren Ende das verwaschene Grau geduckter Gebäude einen unübersehbaren Kontrast zur Umgebung bildete. Da ein Gebirgszug das Tal unmittelbar dahinter abriegelte, die Fahrt dort unweigerlich ihr Ende fände, mußte es sich um Gebäude der Mine handeln. Nun erst bemerkte Sander die zahlreichen Stelen, die im Sonnenlicht hoch oben von den kargen Berghängen grüßten. Ihr Weiß kontrastierte wohltuend mit dem allgegenwärtigen Grau und Rotbraun der Gebirgswelt. Waren dies die Gräber verunglückter Bergleute? Ihn schauderte angesichts ihrer Vielzahl.
    Sie folgten dem Hochtal, bis sie an dessen Ende eine Kohleverladung passierten, eine grobschlächtige, das Gefälle des Berghangs nutzende, nur aus Rückwand und rechtwinklig hierzu angeordneten Trennwänden bestehende Betonkonstruktion, deren oberer Rand von einer Rampe gebildet wurde, auf der eine Anzahl rostbrauner Loren erkennbar war. Zwischen den Trennwänden türmten sich Schüttkegel grober Kohlebrocken. Der Boden des Vorplatzes war geschwärzt vom Kohlenstaub etlicher Dekaden; hier erfolgte seit altersher die Verladung der Rohkohle auf Lkws. Allerdings war weit und breit kein Fahrzeug zu sehen. Es war überhaupt niemand zu sehen. Plötzlich wurde Sander bewußt, daß ihnen während der nahezu zweistündigen Fahrt nicht ein einziger Lkw begegnet war.
     
     

29. Juli, 13:50 Uhr Ortszeit; Sulaiman Coal Mine, 40km nordwestlich von Quetta
    Die Kolonne schraubte sich in einer weit ausholenden Schleife um die Verladestation auf die Höhe des holprig verlegten Feldbahngleises, das ebenerdig die Schüttrampe mit der Mine verband. Sie hatten ein weitläufiges Plateau erreicht. Rechts standen die Loren, die Sander von unten gesehen hatte, nach links zweigte ein Gleis in ein unaufgeräumtes Depot ab, geradeaus führten die Spurrillen der Piste zu den Gebäuden, die schon eingangs der Hochebene zu erkennen waren. Zwischen diesen und dem Depot führte die Feldbahntrasse geradewegs in einen Tunnel, nachdem sie eine relativ kurze Gleisharfe durchlaufen hatte. Wie zufällig verstreut standen winzige Diesellokomotiven sowie etliche Loren herum, teils zu kurzen Zügen zusammengestellt. Zwischen den Gleisen türmte sich allenthalben defektes Gerät, dessen ursprüngliche Verwendung nicht immer nachvollziehbar war.
    Die ganze Szenerie hatte etwas Skurriles, da sie mit keinerlei Leben erfüllt war. Überall Rost, defektes, teils uraltes Material, Skelette aus Knotenblechen, Trägern, Traversen, Stahlkabeln, Umlenkrollen und Getrieben, ein Eldorado der Industrie-Archäologie, jedoch keine Menschenseele. Der Platz hätte nach einem Atomschlag vermutlich nicht anders ausgesehen. Sie überquerten hart

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