Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Es bleibt dabei: Wir machen es in Pakistan! Ich weiß auch schon, wo. Keine Aktion ohne meine Freigabe! Ende!“ Er legte den Hörer auf. Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. ‚Janus wird staunen, wie gut das funktioniert, wenn sich Profis der Sache annehmen.‘ Er ergriff das Wodkaglas, schüttelte mißbilligend den Kopf, als er dessen trostlose Leere registrierte. Er erhob sich schwerfällig und nahm Kurs auf die favorisierte Schranktür. Der Tag nahm ein erfreuliches Ende, das war allemal einen Extrawodka wert.
26. August, 22:28 Uhr Ortszeit; Anstieg zum Khyber-Paß, afghanische Seite
Der Oberleutnant stand breitbeinig über dem Panzerfaustschützen, den Rücken zum Bus gewandt, die Arme im Genick verschränkt. Er schien äußerlich vollkommen ruhig. Einer der Taliban zerrte an seiner Schulter, vermochte jedoch nicht, ihn von der Stelle zu bewegen. Sander vermutete, daß der Offizier auf Zeit spielte. Doch wie sollten sie – bei diesen Lichtverhältnissen – beide Taliban auf den Sekundenbruchteil gleichzeitig ausschalten? Nur so ließe sich das Leben des Oberleutnants retten! Er kroch zu Cannon.
„Was sollen wir tun? Wir sind am nächsten dran. Schaffen wir das?“
Cannon schüttelte den Kopf. Er wies auf die Szene. "Sieh selbst!"
Sander spähte über den Grabenrand. Die Taliban zerrten nun zu zweit mit vereinten Kräften an dem Oberleutnant. Mit ihren hektischen Bewegungen gaben sie kein ruhiges Ziel ab. Sie erhoben ein wütendes Geschrei, als es ihnen nicht gelingen wollte, Wolf von der Stelle zu bewegen. Sie fuchtelten wild mit ihren Kalaschnikows vor dessen Gesicht herum. Es war ihnen gleichgültig, wo ihr erster Schuß den Mann träfe, ins Auge, in den Mund, die Schläfe – sie wußten, er würde aus dieser Nähe in jedem Falle tödlich sein.
„Die wollen den Oberleutnant entführen! Die nehmen ihn als Geisel! Ein Offizier als Geisel, darum geht‘s denen!“ Cannon schrie es in seiner Aufregung zu Sander hinüber. Schlagartig erstarb das Gebrüll. Trotz ihres Geschreis hatten die Taliban mitbekommen, daß sich rechts von ihnen im Straßengraben etwas tat. Sie drückten die Mündungen ihrer Kalaschnikows weiterhin an die Schläfen des Oberleutnants, doch ihre Blicke starrten drohend in die Richtung, in der sich Sander und Cannon in den Graben preßten. Sander hörte das auf- und abschwellende Rauschen seines Blutes, das vom rasenden Herzschlag durch die Adern geprügelt wurde. Blanke Angst lähmte ihn, zweifelte er doch nicht einen Augenblick an der Entschlossenheit dieser von Wut und Haß zerfressenen Gestalten. Entsetzen mischte sich mit tiefer Scham. Während er tief in den Graben gekauert – vor Angst schlotternd – Schutz suchte, stand in stoischer Ruhe, beinahe Gelassenheit ausstrahlend, der Offizier zwischen diesen Wahnsinnigen, sich allein auf seine Standfestigkeit und mentale Stärke verlassend. Der Oberleutnant hatte längst bemerkt, was die Schergen vorhatten. Sie würden ihn foltern, und sie würden ihn früher oder später töten, gelänge es ihnen, sich mit ihm aus dem Staub zu machen. Seine einzige Chance bestand in der Verzögerung ihrer Aktion. Nur so erhielten seine Leute Gelegenheit, unerkannt nahe genug heranzukommen, um den gleichzeitigen Finalschuß riskieren zu können. Es gab keinen zweiten Versuch! Sander ahnte, was in dem Offizier vorging, fühlte die aufsteigende Übelkeit. Er blickte zu Cannon hinüber, wartete auf dessen Nicken, dann legte er mit zittrigen Händen an. Trotz aller Zweifel, sie mußten es versuchen! Wenigstens das!
Die Taliban kreischten erneut Unverständliches in ihre Richtung, als gleichzeitig, allenfalls Sekundenbruchteile auseinanderliegend, zwei Schüsse losbrachen. Der belfernde Mündungsknall verriet die Kalaschnikows. Im selben Augenblick riß es beide Taliban nach hinten, aus der Waffe des einen löste sich im Zurückfallen ein Schuß, der den Oberleutnant nur knapp verfehlte. Dann schlugen ihre Körper hart auf dem Straßenbelag auf. Der Oberleutnant hetzte, ohne den beiden auch nur einen Blick zu schenken, mit langen Sätzen zur Fahrerseite des Busses. Sander und Cannon hörten seinen Ruf: „Aufsitzen!“ Sie rappelten sich hoch, erklommen, vor Hektik ausrutschend, den Straßendamm, dann hetzten sie die wenigen Meter zum Bus. „Paßt auf die Luken auf! Schließt sie, sobald ihr hinten seid!“ Es war der Oberleutnant, der – eben noch in akuter Lebensgefahr – das Kommando wieder ergriffen hatte. Hatte er es
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