Das Schapdetten-Virus - Kriminalroman
mit mir redete, war etwas faul. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte er noch nie einen freundlichen Satz in meine Richtung verloren. Und meinerseits hatte ich in der Vergangenheit kaum einen Zweifel daran gelassen, dass ich ihn für einen Schmarotzer hielt, der sich von Sigi aushalten ließ. Das bislang einzige Produkt seiner schriftstellerischen Laufbahn, ein autobiografischer Roman, den ein münsterscher Verlag gegen Zahlung eines Druckkostenzuschusses herausgegeben hatte, war von der literarischen Welt schlicht ignoriert worden. Den größten Teil der kümmerlichen Auflage hatte Fred selbst gekauft, um seine Verwandten und Bekannten mit dem Werk zu beglücken.
»Wo ist Sigi?«, fragte ich.
»Du, das ist ja das Merkwürdige. Sie hat mich angerufen und gesagt, sie müsse verreisen. Einfach so, aus heiterem Himmel. Ich habe gesagt: Schatz, wie lange denn und wo fährst du hin? Da hat sie einfach aufgelegt. Kannst du dir vorstellen, wie scheußlich ich mich fühle? Keinen einzigen Satz habe ich mehr aufs Papier gebracht. Ich werde noch wahnsinnig vor Ungewissheit. Georg!«
Seine Stimme kroch gequält aus dem Hörer. »Du kennst sie doch auch, ihr seid alte Freunde und so. Ist sie mit einem …«, er kämpfte mit dem Wort, »… anderen Typen weggefahren? Sag’s mir, Georg! Es ist schon so schlimm genug. Ich …«
Ich drückte ihn ins Niemandsland der Telekom-Verbindungen. Wenn die Polizei das Security Check -Büro überwachte und vielleicht sogar meine Wohnung, dann konnte sie auch auf die Idee kommen, die auf Sec Check zugelassenen Handys abzuhören.
Ich startete den Audi und fuhr ins Südviertel. Freds Gequassel ging mir zwar auf die Nerven, aber mit dem Problem konnte ich fertigwerden. Eine wehleidige Informationsquelle war besser als gar keine. Und unter dem ganzen Schmus, den er mir bestimmt erzählen würde, war möglicherweise eine brauchbare Auskunft verborgen.
Eine Viertelstunde blieb ich im Auto sitzen und beobachtete die Geiststraße. Als ich einigermaßen sicher war, dass keine verdächtigen Gestalten herumlungerten, ging ich durch die Toreinfahrt zu dem Hinterhaus, in dem ich selbst ein paar Monate als Sigis Untermieter verbracht hatte.
Fred öffnete die Tür und staunte mich mit verquollenen Augen an. »Du? Ich dachte, du willst nicht mit mir reden. Warum hast du einfach aufgelegt? Ich stelle dir eine Frage, und du …«
Ich legte einen Finger vor meinen Mund. »Nicht hier draußen.«
Er ließ mich herein. »Was ist los?«, flüsterte er heiser. »Verdammte Scheiße, Georg, was geht hier eigentlich vor?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Etwas Mysteriöses ist im Gange. Und aufgelegt habe ich, weil ich befürchte, dass wir abgehört werden.«
Er riss die Augen auf. »Abgehört? Ich?«
»Nein. Ich. Ich habe ein Sec Check -Handy. Und in unserer Zentrale sitzt die Polizei.«
»Die Polizei? Aber warum?«
»Ich habe keine Ahnung. Es muss mit dem Fall zusammenhängen, den wir zurzeit bearbeiten, diese Affengeschichte.«
Fred ließ hörbar Luft ab. »Dann ist Sigi gar nicht mit einem anderen Typen weggefahren?«
»Das halte ich für ziemlich ausgeschlossen. Pass auf, Fred, du könntest mir helfen, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich will herausfinden, was geschehen ist.«
»Warum fragst du nicht einfach die Polizei?«
»Weil ich dann wahrscheinlich selbst von der Bildfläche verschwinde. So wie Sigi.«
»Sigi ist verschwunden?« Er fing an zu zittern.
»Nur die Ruhe, Fred!«, beruhigte ich ihn. »Ich habe gestern Mittag zuletzt mit Sigi gesprochen. Erzähl mir haargenau, was danach passiert ist!«
»Nichts ist passiert, sag ich doch.« Er raufte sich die wirren Haare. »Ich hab ein paar Sachen fürs Abendessen eingekauft. Wir wollten grillen, weißt du, hinten im Garten. Ich hab Spieße gekauft und diese leckeren Schweineteile in Puszta-Soße, Hähnchenkeulen, natürlich zwei Flaschen Vino rosso, und dann noch …«
»Fred!«, unterbrach ich ihn. »Das ist im Moment nicht so wichtig.« Außerdem lief mir das Wasser im Mund zusammen.
»Wie du meinst«, schmollte er. »Also, normalerweise ruft Sigi so um fünf an und sagt, wann sie kommt. Als ich um sechs noch nichts von ihr gehört hatte, bin ich unruhig geworden. Aber bei Sec Check hat einfach niemand abgenommen. Um sieben kam dann der Anruf, der, von dem ich dir erzählt habe.«
»Der genaue Wortlaut, Fred! Es ist wichtig.«
»Sie sagte, warte mal, ja, sie sagte: ›Fred, ich komme heute nicht nach Hause,
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