Das Schapdetten-Virus - Kriminalroman
nicht reden. Wie nennt Sie denn Ihre Frau?«
Die Stimme blieb gelassen und reserviert: »Das tut nichts zur Sache. Kann ich Ihnen helfen?«
Ich legte auf und wunderte mich. Die Stimme klang verdammt nach Polizei. Aber was machte die Polizei in unserem Büro? Selbst wenn Arilson inzwischen die Polizei eingeschaltet hatte, gab es keinen Grund, gegen Security Check vorzugehen, schließlich hatten wir uns nicht strafbar gemacht. Vielleicht eine Hausdurchsuchung, die ein übereifriger Staatsanwalt bewirkt hatte, Verdacht auf Zurückhaltung von Beweisen oder so was.
Ich beschloss, nichts zu überstürzen. Seit sechsunddreißig Stunden hatte ich mich nicht mehr gewaschen oder die Kleidung gewechselt. Meine Haut juckte, ich fühlte mich schmutzig und unwohl. Die neuen Probleme konnten warten, bis ich ein entspannendes Ölbad genommen und meine Haut gepflegt hatte. Ohnehin kamen mir beim Baden die besten Ideen. Und zweifellos musste mir bald etwas Gutes einfallen.
Im Kreuzviertel war mal wieder kein Parkplatz zu bekommen. Zwar lagen die Sommerferien weniger als fünfzig Unterrichtsstunden entfernt, und die Studienräte bereiteten sich bereits gedanklich auf ihren Surfkurs auf den Malediven, die Trekkingtour in Costa Rica – oder was in gebildeteren Kreisen gerade angesagt war – vor, doch bis dahin mussten noch ein paar Unsympathen für die Relegationsrunde im nächsten Schuljahr ausgelost werden.
Ich parkte den Audi drei Querstraßen südlich meiner Badewanne und schlenderte durch den Jugendstil-Wohnpark für Besserverdienende, die ihr schlechtes Gewissen damit beruhigten, dass sie nicht FDP, sondern Grüne wählten.
Man konnte es beruflichen Instinkt nennen oder einfach nur krankhaftes Misstrauen, jedenfalls kam mir der unbeschriftete Kastenwagen, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite, aber nur zehn Meter vom Hauseingang zu meiner Wohnung entfernt stand, verdächtig vor. Seit dem Anruf im Sec Check -Büro geisterten paranoiische Szenarien durch mein Gehirn. Eines wusste ich jedenfalls genau: Ich wollte nicht direkt von der Höhle in eine Zelle wandern.
Um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, betrat ich den Vollwertladen, neben dem ich stehen geblieben war. Ein Birkenstock-Sandalist und eine Mutter, die ihrem kleinen Sohn einen ungezuckerten Lutscher aufschwatzen wollte, beschäftigten die Verkäuferin, sodass ich durch das große Schaufenster die Straße beobachten konnte.
Ich sah nichts, das meinen Verdacht bestätigte. Andererseits würde ich auch nichts zu sehen bekommen, wenn sich die Bullen profimäßig verhielten. Ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach. Lag es an der vielen Rohkost, dass ich so überspannt reagierte? Plötzlich bekam ich einen Heißhunger auf alles, wovon ich in den letzten Tagen geträumt hatte, hauptsächlich tote Tiere in appetitlichen, gebratenen Stücken.
In der Zwischenzeit hatte sich der Laden geleert, und als Ersatz für den Aasfraß kaufte ich mir eine Mohnschnecke. Zum Glück waren die Betreiber des Vollwert-Ladens keine Veganer. Sie verkauften Mohnschnecken, die mit Honig gesüßt waren.
Die Mohnschnecke kauend, für die Hunderte von Bienen gnadenlos ausgebeutet worden waren, ging ich zum Audi zurück. Ich fühlte mich unfähig, eine Entscheidung zu treffen. Zuerst musste ich wissen, was hier gespielt wurde. Falls etwas gespielt wurde. Denn entweder war ich einfach nur ein bisschen überdreht, oder irgendetwas lief verdammt mordsmäßig schief.
Ich probierte es mit der Telefonnummer von Koslowskis Junggesellenbude. Dass niemand abnahm, war nicht weiter verwunderlich. Normalerweise arbeitete Koslowski um diese Tageszeit. Normalerweise.
Dann rief ich die Hauptverwaltung von Arilson in Coesfeld an und bat die Frau in der Telefonzentrale, die sich bemühte, eine Computerstimme zu imitieren, mich mit Michael Holtgreve zu verbinden.
»Tut mir leid«, schnarrte sie metallisch, »Herr Holtgreve ist zu einer Konferenz von Arilson International in London.«
»Seit wann und wie lange?«, wollte ich wissen.
»Dazu kann ich keine Auskünfte erteilen«, knarzte sie zurück.
Bei Holtgreves Privatadresse hätte ich die Gelegenheit gehabt, mit einem Anrufbeantworter zu sprechen, worauf ich wortlos verzichtete.
Der vierte Anruf bescherte mir endlich ein Erfolgserlebnis. Als ich Sigis Privatnummer wählte, meldete sich Fred, Sigis schriftstellernder Lebensgefährte.
»Georg, Mensch, ich freu mich, dass du anrufst.«
Bei mir klingelten alle Alarmglocken. Wenn Fred so freundlich
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