Das Schapdetten-Virus - Kriminalroman
zu mir.«
»Für wen hältst du mich?«, rief er empört. »Wilsberg, sei vernünftig, häng jetzt bloß nicht ein, ich …«
Ich hängte ein. Und dann suchte ich schleunigst das Weite, das heißt, ich rannte den Fahrradweg an der Promenade entlang, nahm einen noch schmaleren Fahrradweg, auf dem mir kein Polizeiwagen folgen konnte, ging kreuz und quer durch das Ägidiiviertel, bis ich im Gewühl der Fußgängerzone untertauchte. Im Restaurant eines Kaufhauses kaufte ich einen Kaffee und mischte mich unter die Damen mit den verödeten oder noch zu verödenden Krampfadern. Ein sichererer Ort fiel mir nicht ein.
Dass Stürzenbecher in die Sache involviert war, gefiel mir ganz und gar nicht. Stürzenbecher war Chef des Kommissariats, das sich mit Gewaltverbrechen beschäftigte. Wie passten unsere niedlichen Kapuzineraffen da hinein? War das Vegane Kommando Münsterland vielleicht doch nicht so harmlos, wie ich annahm? Hatten Franka und ihre Freunde in der Zwischenzeit einen neuen Anschlag verübt? Fragen über Fragen, auf die ich keine Antworten wusste.
Das an meinem Gürtel hängende Handy klingelte.
»Ja?«
»Franka.« Ihre funkverdünnte Stimme klang mädchenhafter, als ich sie in Erinnerung hatte. »Was hast du erreicht?«
»Nichts.«
»Wieso nicht?«
»Weil hier eine gewaltige Kacke am Dampfen ist. Dein Vater ist angeblich verreist, meine Kollegen sind verschwunden, in unserem Büro sitzt die Polizei. Sag mal, habt ihr irgendeine Dummheit angestellt, als ich bei euch war?«
»Was für eine blöde Frage.« Sie war beleidigt. »Und warum flüsterst du so?«
»Ich sitze in einem Kaufhaus. Der grüne Trachtenverein ist hinter mir her, verstehst du. Wenn es etwas gibt, was ich noch nicht weiß, musst du es mir sagen. Sonst kann ich euch nicht helfen.«
»Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest.«
»Na schön. Wir müssen Schluss machen. Ich möchte nicht, dass sie mich orten. Ruf mich später noch mal an! Und sei vorsichtig! Nicht zweimal dasselbe Telefon benutzen, keine Namen oder Ortsangaben.«
»Georg?«
»Was ist?«
»Ich glaube, du bist echt voll in Ordnung.«
»Ich weiß.«
Ich kippte den Rest Kaffee und machte mich wieder auf den Weg. Den Firmen-Audi konnte ich nicht mehr benutzen. Falls die Polizei ihn noch nicht entdeckt hatte, stand er sicher auf der Fahndungsliste. Freunde und Hotels fielen ebenfalls aus. Und um mich unter die Penner zu mischen, die unter den Brücken übernachteten, war ich noch nicht abgerissen genug. Was blieb einem gewieften Detektiv da noch übrig?
Als ich an einem Reisebüro vorbeischlenderte, zuckte die Lösung plötzlich durch mein Gehirn. Für einen Moment war ich so glücklich, als hätte ich die goldene Ananas gewonnen.
Ich nahm den Bus Richtung Gievenbeck. Am Coesfelder Kreuz passierten wir die Forschungssilos der naturwissenschaftlichen Fakultäten. Hier büffelten brave Studenten über Erfindungen, die zur Wiederbelebung des Wirtschaftsstandortes Deutschland dienen konnten. Dann wurde die Bebauung zweistöckiger und familiärer. Saubere Doppelhaushälften für die Mittelschicht.
Vor vielen Jahren, als ich noch eine Freundin, Zeit und Geld hatte, war ich zu einer romantischen Reise nach Schweden aufgebrochen. Schweden war Elkes Idee gewesen, ich schwärmte mehr für die südlichen Länder. Außerdem trank ich damals noch Alkohol, und der gilt in Schweden bekanntlich als Luxusdroge.
Nach sieben Tagen mussten wir die Reise abbrechen. Elke sah aus wie ein Streuselkuchen, die Mücken hatten sie förmlich ausgesaugt. Aber das Reisemobil, mit dem wir gefahren waren, hatte mir ausgesprochen gut gefallen.
Das Gelände von Reisemobile Torsten Kramer lag ein wenig außerhalb, nur wenige hundert Meter vom Haus Rüschhaus entfernt, wo Annette ein paar Jahre verbracht und mit Sicherheit nicht davon geträumt hatte, dass sie mal auf einem Zwanzigmarkschein landen würde.
Noch war Vorsaison, und ich hatte die Auswahl zwischen kleinen, mittleren und großen Reisemobilen, von schnuckeligen Kastenwagen über familiengerechte Alkovenmodelle bis hin zu fahrbaren Wohnzimmern mit Eichenholzfurnier und Fernseher. Ich entschied mich für einen Hymercar magic , eines der kleineren Modelle. Immerhin hatte es alles, was ich zurzeit brauchte: ein Klo, eine Dusche und eine Küche. Ein freundlicher Angestellter erzählte mir etwas vom Postforming-Design der Möbel und zeigte mir, was man alles auf- und zuklappen konnte und wie man die Toilette entleeren musste.
Ich unterschrieb
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