Das scharze Decameron
sechs Tagen alles Korn und allen Jams meines Vaters haben. Ich würde mir dann alle Tage alle Frauen der Dörfer zusammenkommen lassen, würde jeden Tag viel, sehr viel Speise machen und Bier brauen lassen, und so alles in sechs Tagen verbrauchen. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich das einmal ganz nach meinem Kopf betreiben.«
Der dritte Sohn sagte: »Ich möchte einmal während sechs Tagen auf dem Ledersitz meines Vaters sitzen. Ich würde alle Leute zu mir kommen lassen, würde Geschenke verteilen, würde mir alle Angelegenheiten vortragen lassen, würde Menschen töten und einmal alles so ordnen, wie es nach meinem Kopf einem großen Häuptling geziemt. Ich würde reiten und Krieg führen und Gefangene machen. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich es einmal ganz nach meinem Kopf betreiben.«
Der vierte Sohn sagte: »Ich möchte einmal während sechs Tagen alles Fleisch haben, das in meines Vaters Dorf zu schlachten ist. Ich würde während der sechs Tage alles schlachten, kochen lassen und verteilen. Ich würde essen, was mir schmeckt und alles vertun. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich es einmal ganz nach meinem Kopf betreiben.«
Der fünfte Sohn sagte: »Ich möchte einmal während sechs Tagen über alle jungen Leute meines Vaters gebieten. Einige würde ich um mich versammeln und tanzen lassen. Einige würde ich auf die Jagd senden. Einige würde ich auf die Felder schicken. Einige würde ich in den Krieg schicken. Einige würde ich verkaufen und jeden, der mir nicht paßt, würde ich töten lassen. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich es einmal ganz nach meinem Kopf betreiben.«
Der sechste Sohn sagte: »Ich möchte einmal während sechs Tagen mit der jungen Frau meines Vaters in einer Hütte leben. Ich würde morgens mit ihr schlafen, mittags mit ihr schlafen, nachts mit ihr schlafen. Ich würde sie nicht aus den Armen lassen, und wenn sie darüber stürbe. Am siebenten Tage würde ich dann meinetwegen mich selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich das Weib so beschlafen, daß ich darüber alle meine Kraft verlöre!«
Ein Mann belauschte das Gespräch der sechs Brüder. Er ging hin und sagte dem Häuptling, was er gehört hatte. Der Häuptling ließ seine Söhne zu sich kommen und sagte zum ersten: »Nimm du alle meine Kühe.« Er sagte zum zweiten: »Nimm du all mein Korn und meinen Jams!« Er sagte zum dritten: »Nimm du Platz auf meinem Ledersitz!« Er sagte zum vierten: »Nimm du alles Fleisch!« Er sagte zum fünften: »Nimm du alle jungen Leute!« Er sagte zum sechsten: »Nimm du das junge Weib hin!«
Die sechs Söhne nahmen alles an sich, so wie der Vater es nach ihren Wünschen erlaubt hatte. Während sechs Tagen lebte jeder nach seinem Sinne. Alle Kühe und Ochsen des Häuptlings wurden getötet, alles Korn und Jams verbraucht, alles Fleisch gekocht und geröstet, alles Bier getrunken. Alle Leute zogen aus und ein, in den Krieg, auf Jagd, zum Tanz. Viele Leute wurden getötet, verkauft, verjagt. Es wurde alles durcheinander gebracht. Der sechste Sohn aber hatte sich mit der jungen Frau des Häuptlings eingeschlossen und hielt sie ständig umschlungen, und die junge Frau sagte: »Dein Penis ist süß! Dein Penis ist süß! Dein Penis ist süß!«
Nach sechs Tagen war aller Besitz des Häuptlings zerstört, alle Mannschaft versprengt und der Friede mit den Nachbarn beendet. Der Häuptling aber holte inzwischen sechs Löwen. Die stellte er vor den Gehöften der Söhne auf. Die sechs Löwen sollten die sechs Söhne, wenn sie am siebenten Tage herauskamen, verschlingen. Nach sechs Tagen kam der erste Sohn heraus; er wurde verschlungen. Nach sechs Tagen kam der zweite Sohn heraus; er wurde verschlungen. Nach sechs Tagen kam der dritte Sohn heraus; er wurde verschlungen. Nach sechs Tagen kam der vierte Sohn heraus; er wurde verschlungen. Nach sechs Tagen kam der fünfte Sohn heraus: er wurde verschlungen.
Am siebenten Tage sagte auch der sechste Sohn: »Heute ist der siebente Tag. Heute will ich sterben.« Die junge Frau sagte: »Nein, du sollst nicht sterben. Wir werden entfliehen. Ich werde dir den Weg zeigen.« Die junge Frau hob an der Hinterseite der Hütte die Grasdecke (die Dachkappe) vom Mauerwerk empor. Sie sagte:
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