Das scharze Decameron
so verwendet, wie wir beide es uns seinerzeit zugeschworen haben. Deshalb verlange ich von dir jetzt die zwanzig Jahre zurück. Das ist alles.« Der Bursche verbrannte Aini und die Mutter des Agellid.
Dann ging der Bursche in ein anderes Land.
2 Die Töchter des Agellid – Gesellenübung
Der Bursche war sehr schön und stark und klug. Jeder Mann wollte ihn gern in seinen Diensten haben. Er kam in das Land eines Agellid, der überall bekannt war als weiser Richter. Der Bursche war bei dem Agellid einige Tage, als dieser zu ihm sagte: »Ich muß oft hierhin und dorthin, um Streitigkeiten zu regeln. Dann habe ich niemand, der mich hier vertritt. Deshalb frage ich dich, ob du bei mir bleiben und solche Vertretung in meinem Hause übernehmen willst, denn du bist der erste, den ich für klug genug halte, solches Amt zu übernehmen. Überlege es dir bis morgen.« Nachdem der Agellid dies gesagt hatte, ging er weg, und der Bursche blieb im Gehöft zurück.
Er ging im Hof auf und ab und überdachte das, was der Agellid ihm gesagt hatte. Er sagte vor sich hin: »Soll ich bleiben, oder soll ich nicht bleiben?« Zwei Stimmen sagten hinter ihm: »Wenn du nicht ein Tor bist, bleibst du.« Der Bursche wandte sich um. Er sah zwei sehr schöne erwachsene Mädchen. Die Mädchen gingen in das Haus. Es waren die Töchter des Agellid. Im Haus lachten sie. Der Bursche sagte bei sich: »Das ist eine schöne Doppelspeise für einen Klugen.« Abends kam der Agellid zurück. Der Bursche sagte: »Ich will es mir nicht lange überlegen. Ich habe mich entschlossen, deinen Vorschlag anzunehmen und als dein Stellvertreter hierzubleiben.«
Am anderen Morgen verreiste der Agellid schon. Kaum war er weggeritten, so kamen die beiden schönen Töchter des Agellid zum Burschen, lachten und sagten: »Bursche, willst du mit uns wetten? Du bist ein so schöner und starker Mann, daß es für Frauen eine Freude ist, mit dir in Händel zu geraten. Sag also, ob du mit uns wetten willst!« Der Bursche sagte: »Ich bin einverstanden. Sagt mir die Wette.« Die beiden schönen Mädchen lachten und sagten: »Wir wollen dir fünfzig Goldstücke geben, wenn du uns zwanzigmal hintereinander schwächen kannst. Du gibst uns fünfzig Goldstücke, wenn du es nicht kannst.« Der schöne Bursche lachte und sagte: »Wir wollen keine Zeit verlieren und anfangen.« Der Bursche beschlief die beiden Mädchen zwanzigmal. Er schwächte sie auch zwanzigmal. Beim letztenmal versagte aber seine Kraft. Die beiden schönen Mädchen sagten: »Du bist ein schöner und starker Mann, aber die fünfzig Goldstücke bekommst du nicht. Die fünfzig Goldstücke mußt du uns zahlen. Du hast uns allerdings zwanzigmal geschwächt, aber du selbst bist das zwanzigstemal schwach geworden.« Der Bursche sagte: »Das ist eine schwierige Sache, die nur ein Richter entscheiden kann. Ich schlage euch vor, daß wir dem Agellid, eurem Vater, die Sache zur Entscheidung vorlegen.«
Die beiden schönen Mädchen schrien auf. Sie sagten: »Wo denkst du hin! Unser Vater tötet uns ja, wenn er hört, daß wir so etwas taten. Er zerschlägt uns ja in kleine Stücke, wenn er hört, daß wir dir diese Wette vorgeschlagen haben. Du darfst auf keinen Fall mit unserem Vater darüber sprechen. Lieber schenken wir dir die fünfzig Goldstücke.« Der Bursche sagte: »Ihr braucht euch nicht zu ängstigen. Ich habe nicht vor, eurem Vater zu erzählen, daß wir miteinander diese Sache vorhatten. Ich will überhaupt von solchen Dingen mit ihm nicht sprechen. Aber da hier ein Streit vorliegt und ich mit dem Amte des Richtens in diesem Hause beauftragt bin, so muß ich seine Entscheidung hören.«
Die beiden schönen Mädchen ängstigten sich so, daß, als der Vater kam, sie sich im Viehstall neben der Wohnkammer versteckten. Der Agellid war noch nicht lange angekommen, da trat auch schon der Bursche ein, begrüßte ihn, setzte sich zu ihm und sagte: »Es waren gestern zwei Leute bei mir, die hatten miteinander eine Wette gemacht und stritten sich nun darum, wer von ihnen sie gewonnen habe. Der eine war der Besitzer eines starken Pferdes. Der hatte fünfzig Goldstücke gewettet, daß sein Pferd zwanzig Bündel Korn zu sich nehmen könne. Der andere war ein Kornhändler, der hatte fünfzig Goldstücke gewettet, daß das Pferd die zwanzig Bündel Korn nicht zu sich nehmen könne. Dann waren sie an die Ausführung gegangen. Das Pferd fraß neunzehn Maß Korn hintereinander. Das zwanzigste Bündel nahm es in sein Maul. Es
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