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Das scharze Decameron

Das scharze Decameron

Titel: Das scharze Decameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frobenius
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»Das hat der Agellid getan. Aini ist zu ihm gegangen.« Der Bursche dachte nach. Der Bursche sagte: »Ich habe ihr zwanzig Jahre meines Lebens gegeben. Ich werde sie ihr wieder nehmen.«
    Der Bursche schloß sich ein. Er blieb vierzig Tage eingeschlossen. Während vierzig Tagen kam er nicht aus seinem Hause. Vierzig Tage lang sah er nicht die Sonne. Vierzig Tage lang aß er nichts und trank er nichts. Nach diesen vierzig Tagen erkannte niemand ihn wieder. Er war ganz mager. Die Augen waren leer. Er ging gebückt. Er sah aus wie ein Toter. Er sah nicht mehr aus wie ein Lebender. Nach vierzig Tagen kam der Bursche aber aus dem Hause. Er öffnete die sieben Türen, trat vor sein Haus und sagte: »Ich werde mir die zwanzig Jahre wiedergeben lassen, und es soll kein Jahr vergehen, ohne daß ich mich nicht sattgegessen hätte an den besten Gerichten, die Gott der Erde gegeben hat. Es scheint so, daß Gott seine besten Gerichte nicht dem Ehrlichen gibt, sondern den Klugen. Da mich Gott aber nicht dumm gemacht hat, sondern klug, so darf ich meinen Löffel so gut in die besten Gerichte stecken wie andere.«
    Der Bursche sah so elend aus, daß niemand ihn wiedererkannte. Der Bursche kam zu dem Agellid. Der Agellid erkannte ihn auch nicht wieder. Der Bursche sagte: »Darf ich bei dir arbeiten?« Der Agellid sagte: »Du wirst zu schwach sein zur Arbeit.« Der Bursche sagte: »Ich war nur kank. Laß mich nur einige Zeit arbeiten und mich sattessen, dann wird mein Zustand sich ändern.« Der Agellid stellte den Burschen an. Der Bursche arbeitete und nährte sich. Nach einiger Zeit sah er schon besser aus.
    Der Bursche arbeitete einen Monat lang bei dem Agellid. Da sah er frischer und stärker und schöner aus als früher. Alle Frauen und Mädchen sahen ihm nach. Er arbeitete dann noch einen Monat und sättigte sich und ward so schön und stark, daß niemals vorher ein so schöner und starker junger Mann auf der Erde gewesen war.
    Die Mutter des Agellid kam zu dem Burschen auf den Acker und sagte: »Mein Bursche, besuche mich heute nacht auf meinem Lager!« Der Bursche sagte: »Ich will das schon ganz gerne tun. Ich fürchte mich nur vor dem Agellid! Dein Sohn wird es merken, und er wird mich töten. Ja, wenn dein Sohn tot wäre, dann könnte ich dich ja überhaupt heiraten.« Die Mutter des Agellid sagte: »Dann hätte ich dich für immer.« Der Bursche sagte: »Ja, dann hättest du mich für immer.« Die Mutter des Agellid sagte: »Ich werde dann meinen Sohn gleich heute abend mit dem Abendessen vergiften. Iß du also von dem Brei nicht!«
    Abends saß der Bursche beim Agellid. Das Essen wurde hereingebracht. Der Agellid nahm seinen Löffel und schöpfte aus dem Brei. Der Agellid wollte den Löffel zum Munde führen. Der Bursche hielt seinen Arm fest und sagte: »Warte, iß dies noch nicht. Rufe erst deinen Hund und gib diesen Brocken deinem Hunde.« Der Agellid tat es. Der Hund fraß und starb auf der Stelle. Der Agellid erschrak und sagte: »Wie ist das denkbar? Meine Mutter macht doch selbst meine Speisen!« Der Bursche sagte: »Warte, ich habe zuerst gelernt, jetzt lerne du zu zweit. Weißt du, wer ich bin?« Der Agellid sagte: »Was soll das? Du bist mein Arbeiter.« – Der Bursche schüttelte den Kopf.
    Der Bursche sagte: »Du irrst dich. Ich bin nicht dein Arbeiter, sondern ich bin dein Lehrer, und außerdem bin ich der Mann der Aini.« Der Agellid wollte aufspringen und seine Waffen holen. Der Bursche sagte: »Laß das. Hätte ich mich an dir für den Raub der Aini rächen wollen, so hätte ich dich doch nur die vergiftete Speise, die deine Mutter bereitet hat, um dich zu töten und mich nachher heiraten zu können, essen zu lassen brauchen. Ich habe das aber nicht getan. Ich will mich nicht rächen. Ich will auch deine Mutter nicht heiraten. Ich will nur die Jahre zurückerstattet haben, die ich Aini geschenkt habe. Ich verlange Aini von dir. Ich will dich aber nicht töten. Du hast nun das gleiche erlebt mit deiner Mutter, was ich mit Aini erlebt habe. Gib mir beide Frauen. Ich will sie verbrennen.«
    Der Agellid gab dem Burschen Aini. Er gab ihm seine Mutter. Der Bursche entzündete ein großes Feuer. Der Bursche sagte zu Aini: »Ich habe dir, als du gestorben warst, die Hälfte meines Lebens, ich habe dir zwanzig Jahre gegeben. Als Dank dafür bist du von mir gelaufen und zu dem gegangen, der reich und Agellid war, während ich noch ein armer Jäger war. Du hast die zwanzig Jahre, die ich dir geschenkt habe, nicht

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