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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Grundzügen darlegen sollte, doch zum einen dauerte das zu
lange, und zum anderen war sie zu unglaublich. Also beschrieb er
den Holzschnitt, ohne dessen Ursprung zu erwähnen. Er habe
gute Gründe anzunehmen, dass Lioba an diesem Ort
gefangengehalten und vermutlich gefoltert werde. Sie sei in
Lebensgefahr.
    »Verdammt, das klingt gar nicht gut«, meinte
Martin. »Ich komme jetzt nicht an meine Informationen ran,
bin auf der Reise, aber ich geh gleich mal ins Internet und ruf
Sie dann zurück. Ich verspreche Ihnen, dass ich es schnell
mache.« Schon hatte er aufgelegt, und für Arved begann
eine weitere Runde auf dem glühenden Folterrost der
Warterei.
    Aber schon wenige Minuten später meldete sich Martin
wieder. »Hab hier was für Sie, das Sie interessieren
könnte. Es gab vor zwei Jahren in der Region um Manderscheid
eine Kunstaktion, die Nat-Ur-Kunst hieß. Hab damals
darüber berichtet, und die Bilder dazu habe ich noch auf
meinem PC. Überall in den Wäldern und Tälern haben
Künstler aus natürlichen Materialien die absurdesten
– will sagen die unterschiedlichsten Werke geschaffen.
Eines davon hieß Die mächtige Krone der
Schöpfung hat Durst und war von einem ganz seltsamen und
durchgedrehten Künstler, von dem man so gut wie nichts
wusste. Die Veranstalter hatten ziemliche Probleme mit ihm. Ich
wollte ein Interview mit ihm machen und so weiter und so fort,
aber glauben Sie, der hätte das zugelassen? Na, dann rutsch
mir doch den Buckel runter, hab ich gedacht. Aber ich habe sein
Werk natürlich auch aufgenommen – ziemlicher Mist,
muss ich sagen. Er hatte einen komischen Namen, warten Sie mal,
ja, hier habe ich ihn. Valentin Maria Pyrmont.«
    Vampyr! Das war es! Wie in einem Räderwerk griffen nun
die einzelnen Teile ineinander. »Wo?«, rief Arved in
die Muschel.
    »Warten Sie, mal sehen, ich glaube, das war ziemlich
nahe bei Manderscheid.« Stille, seltsame, schabende
Geräusche am anderen Ende, irgendeine Suche ging dort vor
sich. »Hier. Aber wie soll ich es Ihnen erklären?
Kennen Sie sich schon gut genug in Ihrer neuen Heimat
aus?«
    »Ich will es hoffen!«
    »Das Werk von Pyrmont befand – oder befindet
– sich zwischen Manderscheid und Bleckhausen. Ich
weiß noch, wie ich es damals gesucht habe. Es ist das am
besten versteckte aller Werke, die bei der Aktion entstanden
sind, und das ist auch gut so. Lachen Sie mich nicht aus, aber
ich habe es damals so empfunden, als würde von dem Ort und
dem Werk etwas Ungutes, Blasphemisches ausgehen, obwohl es mit
diesem Bierfass – übrigens aus Plastik – so
lächerlich ist.«
    »Wie komme ich dahin?«
    »Rechts neben der Straße nach Bleckhausen
verläuft ein Wirtschaftweg, der zuerst geteert ist und
später in einen Grasweg übergeht. Den nehmen Sie, bis
er etwas nach rechts schwenkt. Sie kommen dann an eine
abschüssige Wiese, auf der meistens Schafe und auch ein Esel
grasen. Sie gehen an dieser Weide vorbei, biegen in den kleinen
Weg ein, der rechts davon abgeht – beide Wege begrenzen die
Weide – und laufen immer weiter, bis irgendwann auf der
linken Seite eine winzige Lichtung mit ebendiesem so genannten
Kunstwerk kommt. Glauben Sie wirklich, dass es etwas mit Liobas
Verschwinden zu tun hat?«
    Arved gab keine Antwort mehr. Er hatte schon aufgelegt, kramte
nach dem Autoschlüssel, klemmte sich hinter das große
Lenkrad, setzte viel zu schnell aus seiner Ausfahrt, rammte einen
Zaunpfahl, legte den Vorwärtsgang ein und raste los. Er fuhr
bis An Luziakirch, dann nach rechts, bis er zu der
Hauptstraße kam, die hier Dauner Straße hieß.
Mit einem mächtigen Satz sprang der große Bentley auf
die Hauptstraße, kreischte mit quietschenden Reifen
bergauf, ließ Manderscheid hinter sich. Gleich bremste
Arved wieder ab, bog in den Wirtschaftsweg ein und fuhr ihn mit
halsbrecherischer Geschwindigkeit entlang. Der Wagen schlingerte,
schaukelte, polterte und dröhnte gequält, doch das war
Arved gleichgültig. Bald hörte der Teerweg auf. Arved
bremste ein wenig ab, doch er dachte nicht daran, den Wagen
stehen zu lassen und zu Fuß weiterzugehen. Dazu war keine
Zeit. Der Bentley hüpfte über den unebenen Untergrund,
setzte mehrfach knirschend auf der Grasnabe in der Mitte des
Weges auf, und bald klapperte er wie ein alter Käfer.
    Die Weide kam in Sicht, sie zog sich ein schmales Tal
hinunter. Arved bog rechts in den abschüssigen Weg ein, doch
bald hatte er sich festgefahren. Der

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