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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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er Lioba unbewusst den
Entführern in die Hände gespielt, indem er sie allein
hier zurückgelassen hatte? Er setzte die Flasche auf dem
Küchenschrank ab und biss sich auf die Lippe. Es war seine
Schuld. Und er musste es wiedergutmachen. Er musste sie retten.
Er war ihre einzige Hoffnung. So wie sie seine einzige Hoffnung
war.
    Wenn sie nicht schon längst tot war.
    Arved stieß heftig den Atem aus; es klang, als entweiche
Luft aus einem abgestochenen Reifen. Ein Kunstwerk… Er
hatte es auf seinen Spaziergängen nie gesehen, andererseits
kannte er noch längst nicht alle Wege um Manderscheid. Wenn
es sich überhaupt in dieser Gegend befand. Wer konnte etwas
darüber wissen? Wer wusste alles über
künstlerische Aktivitäten in der Eifel? Wenn es um
Manderscheid ging, wäre vielleicht die Bürgermeisterin
die Richtige. Aber wenn es sich doch um eine ganz andere Gegend
handelte, käme Arved bei ihr vermutlich nicht weiter. Er
brauchte jemanden, der einen größeren Überblick
hatte. Wer kam da in Frage? Er kannte noch nicht viele Leute
hier.
    Aber es gab einen, der ihm schon einmal mit Informationen
ausgeholfen hatte – einen, der immer irgendwie im
Mittelpunkt des Geschehens stand, ohne selbst groß
hervorzutreten. Einen, dem er zu verdanken hatte, dass er auf
freiem Fuß war.
    Jochen W. Martin, der Journalist.
    Wo hatte Arved bloß seine Adresse? Er kramte im
Wohnzimmerschrank herum, bis er sein Telefonverzeichnis gefunden
hatte. In der Tat, er hatte die Privatnummer in Bad
Münstereifel notiert.
    Die weibliche Stimme am anderen Ende sagte bedauernd, Jochen
sei vermutlich in der Redaktion des Kölner Rundblick, die Nummer könne sie Arved geben.
    Dort aber war er nicht. »Er ist bei der Recherche
für eine Story«, sagte wiederum eine weibliche Stimme
am anderen Ende. »Vielleicht rufen Sie heute Nachmittag
noch mal an.«
    »Das ist zu spät!«, schrie Arved fast ins
Telefon. »Ich brauche sofort eine Information von ihm. Es
geht um Leben und Tod!« Es hörte sich so abgedroschen
an, aber es war nichts weniger als die Wahrheit. »Bitte,
bitte. Er hat doch bestimmt ein Handy, oder?«
    Am anderen Ende wurde geschwiegen; man konnte das Nachdenken
geradezu hören.
    »Sie müssen ihn doch auch erreichen können,
wenn etwas Wichtiges anliegt«, drängte Arved.
    »Ich weiß ja nicht einmal, worum es geht«,
wehrte die weibliche Stimme ab.
    Sollte alles an einer übereifrigen Redakteurin scheitern?
»Wenn er nicht gestört werden will, hat er bestimmt
seine Mailbox eingeschaltet. Bitte geben Sie mir die
Nummer.«
    Nach einem Schweigen, das eine halbe Ewigkeit zu dauern
schien, erhielt Arved die Nummer. Mit zitternden Fingern
wählte er die lange Zahlenfolge, vertippte sich, wählte
neu, wartete. Das Freizeichen kam. Dann die Ansage der Mailbox
von Jochen Martin. Wütend und verzweifelt warf Arved den
Hörer auf die Gabel. Dann wählte er erneut. Er konnte
wenigstens eine Nachricht hinterlassen. Auf das Band sprach er
eine Botschaft, von der er hoffte, dass sie sich dringlich genug
anhörte. Nun blieb ihm nichts weiter als zu warten.
    Wie ein eingesperrtes Tier durchmaß er das Haus. Er biss
sich immer wieder auf die Lippe, bis sie blutete. Der Schmerz
lenkte ihn ein wenig ab. Seine Kreise wurden beständig
kleiner, sie konzentrierten sich bald auf die Diele mit dem
Telefon. Es schwieg. Welche andere Möglichkeit gab es, an
die so dringend benötigte Information zu kommen? Vielleicht
im Fremdenverkehrsamt, unten am Kurpark? Dafür musste er das
Haus verlassen – oder anrufen. In beiden Fällen konnte
Jochen Martin ihn nicht erreichen, wenn er zurückrief. Falls
er überhaupt zurückrief.
    Das Telefon klingelte.
    Arved schoss auf es zu wie ein Hai auf Beute.
    »Martin hier. Was gibt’s? Will die Polizei noch
was von Ihnen, oder haben Sie wieder Ärger mit
Teufelsanbetern?«
    Seine ruhige Stimme war Balsam für Arveds Nerven.
»Lioba ist verschwunden«, sagte er. »Es hat
einen Kampf gegeben, während ich nicht da war, und ich
glaube, ich kann den Ort beschreiben, wo sie gefangen gehalten
wird. Aber ich weiß nicht, wo er ist.«
    »Entschuldigen Sie, wenn ich mir die Bemerkung erlaube,
dass das eine recht rätselhafte Beschreibung der Lage ist.
Lioba ist was passiert? Wo hat sie sich denn jetzt schon wieder
eingemischt? Sie haben meine vollste Unterstützung.«
Erwartungsvolles Schweigen am anderen Ende.
    Arved überlegte kurz, ob er die ganze Geschichte in

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