Das Schattenbuch
bibliophilen Stücken und zog mit einem kleinen Pfeifen
ein in wertvolles braunes Leder gebundenes Buch heraus. Er schlug
es auf und las mit leuchtenden Augen darin.
Arved hatte es sofort erkannt. Auch Lioba hatte den Kunden aus
den Augenwinkeln beobachtet, und als sie sah, welches Buch er da
in den Händen hielt, sprang sie auf, stellte sich neben ihn
und nahm es ihn mit einem raschen Griff ab. Durch das kleine
Sprossenfenster, das zur Straße hinausging, flutete das
Nachmittagslicht und fiel auf das Buch, das es wie eine Gloriole
umgab.
»Erlauben Sie mal!«, beschwerte sich der Kunde,
ein älterer Herr mit Hornbrille und Hosenträgern
über dem karierten Hemd.
Lioba ließ sich von ihm nicht beeindrucken, ging mit dem
Buch zur Antiquarin hinüber, schaute auf dem kurzen Weg
nach, was es kostete – der Preis war im hinteren
Innendeckel verzeichnet –, legte zwanzig Euro
zusätzlich auf den Tresen, nahm ihre anderen Bücher und
verließ fluchtartig den Laden. Arved folgte ihr sofort.
Der Kunde schimpfte hinter ihnen her, die Antiquarin
lachte.
Im Hotel zerrissen sie das Buch und spülten die Fetzen
die Toilette hinunter. Arveds Schattenbuch hatten sie in Trier
durch Liobas Aktenvernichter gejagt, der sich daran beinahe
verschluckt hatte, doch am Ende waren von dem unheilvollen Werk
nur Schnipsel übrig geblieben, selbst den wertvollen braunen
Maroquineinband zerrissen sie in kleine Stücke und schickten
sie hinter dem Rest her.
»Er sollte uns dankbar sein«, sagte Lioba mit
einem schelmischen Grinsen, »auch wenn er uns für den
Rest seines Lebens hinterher fluchen wird.«
Arved erwiderte ihr Grinsen. Danach fuhren sie noch einmal an
den Strand und blieben dort so lange, bis die untergehende Sonne
auf dem ruhigen Wasser einen glitzernden Pfad in den Himmel
malte.
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