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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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waren genauso wenig wert wie eine angeschlagene Tasse und konnten gedankenlos auf den Müll geworfen und ersetzt werden. Mr. Loveday hatte außerdem recht: Dieser Conte sprach sehr blumig, und von mir erwartete er nur Kichern und einfältiges Lächeln. Nachdem er sich ordentlich aufgeblasen hatte wegen seiner wahnsinnig teuren Villa und darüber, wie unglaublich nobel er doch war, begann er, an den roten Troddeln an seinen Schuhen zu zupfen, und meinte, wir sollten unbedingt eine Runde durch den Park drehen. Also musste ich seinen dürren Arm nehmen, was allerdings dazu führte, dass ich ihn mit den Reifröcken bedrängte. Ich musste mir das Lachen verkneifen. Es war vermutlich sicherer, wenn ich hinter ihm ging und seine krummen, bestrumpften Beine vor mir her huschten. Seine weiße Perücke hüpfte hierhin und dorthin, während er mich auf all seine Schätze hinwies. Als Nächstes musste ich die Treppen der Terrassen auf und ab laufen und ihm in die Grotte folgen – eine Art Höhle, in der Steintropfen von der Decke hingen wie erstarrtes Gekröse. Das war wenigstens mal interessant, denn im Innern der Höhle lagen so große Eisblöcke, dass man sie als Tische hätte verwenden können.
    «Für Eiscreme?», fragte ich.
    «Dafür sind sie tatsächlich. Das ist die
specialità
meines Kochs Renzo.» Dann nutzte er die Gelegenheit, da ich in der engen Höhle fast eingeklemmt wurde, und schlang den Arm um meine Taille. «Ich habe ein überaus köstliches Abendessen für Euch vorbereiten lassen, Carinna», murmelte er mir ins Ohr. Sein Atem war muffig, als verschimmelte er von innen. «Und danach wartet ein weiches Bett mit Seidendecken …»
    «Sir», sagte ich und wand mich aus seiner Umarmung. «Gebt Ihr mir bitte den Schlüssel? Ich muss jetzt leider gehen.»
    Aber der alte Kerl blieb standhaft, der Blick seiner funkelnden Augen war klar. «Ihr könnt nicht in diesem schrecklichen Haus wohnen», protestierte er und verzog das Gesicht wie ein verwöhntes Kind. «Ich werde Euch hier unterbringen. Und ich versichere Euch», fügte er mit öliger Stimme hinzu, «dass ich über alle Kräfte verfüge, die es braucht, um eine junge Dame zu unterhalten.» Schamlos starrte der Winzling auf meine hochgeschnürten Brüste.
    «Ich glaube nicht», erwiderte ich und machte mich los. «Der Schlüssel, wenn ich bitten darf.»
    «Ach, Carinna! Euer Widerstand festigt nur meinen Entschluss.» Er grinste wie ein dämlicher Hundewelpe. Dann hob er die Hand und fuhr mit dem Finger über mein gerüschtes Mieder hinauf zu meinen Brüsten. Ich schlug ihm auf die Finger.
    «Ich sehe schon, Ihr werdet eine gestrenge Herrin», sagte er, als sei ihm diese Herausforderung gerade recht. Ich wandte mich ab und hob die großen Röcke an, um die Stufen zurück ans Tageslicht sicher zu überwinden. Dieser kleine Conte war ein richtig mieser Wüstling.
     
    Anschließend führte er mich in die Küche – einen riesigen, weiß getünchten Kerker unter der Erde. Die Wände erstrahlten im Glanz der Stahlmesser und Haken, an denen rote Kadaver hingen. Ich dachte, das müsse die schlimmste Küche sein, die ich je gesehen hatte, da sie ganz anders war als die heimeligen, weiblich geführten Küchen, die ich kannte. Ein Dutzend Diener verbeugte sich vor dem Conte und kehrte dann mit sichtlicher Begeisterung an die Arbeit zurück. Der Chefkoch war ein ungeschlachter junger Kerl, der so arrogant war, dass er kaum von seiner Arbeit aufblickte. Wenn man auf seine Hände schaute, sah man kaum das Messer, mit dem er wie ein Schwertkämpfer auf dem Jahrmarkt schnitt und hackte.
    «Die größte Weisheit, die uns das klassische Zeitalter gebracht hat, ist Plinius’ Abhandlung über die guten Eigenschaften von Schlangenfleisch», verkündete der Conte und zeigte die braunen Stümpfe seiner Zähne. «Eure leidende Dienerin täte gut daran, von meinem Wein mit Nattern zu trinken. Es ist ein überaus heilsames Mittel. Renzo, richte eine Flasche davon für Ihre Ladyschaft her.»
    Zu meiner Überraschung nickte der Koch nur mürrisch. Ich fragte mich, ob er uns überhaupt zuhörte.
    Der Conte grinste schon wieder. «Ah, unser Renzo hier spricht auch ein paar Worte Englisch. Ich habe ihn mit einem ordentlichen Bestechungsgeld dem Duke of Clathemore abgejagt. Da habe ich dir einen Gefallen getan, was, Renzo? Jetzt musst du nicht mehr diese Bratspieße und das Puddingzeug machen.»
    Der Koch blickte auf und grinste schief. Die beiden waren es wohl gewohnt, die englische

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