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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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das ich sofort überstreifte.
    Das Frisieren war noch das Schlimmste. Ich hatte oft genug zugesehen, wie meine Herrin gequält wurde, aber jetzt war ich diejenige mit den zischenden Wicklern, der man an den Haarwurzeln zerrte. Wenn Jesmire wirklich woanders nach einer Stellung suchte, sollte sie mal als oberster Folterer beim König anheuern. Anschließend wurde mein Kopf kardätscht und toupiert, bis ich dachte, ich müsste wie ein Baby weinen. Die ganze Zeit gab meine Herrin vom Bett aus Anweisungen, bis auch meine Lippen rot angepinselt waren und ein schwarzes Schönheitspflaster direkt unterhalb meines Auges auf dem Wangenknochen pappte.
    Anschließend schickte sie die entgeisterte Jesmire los, mein rosenrotes Kleid aus meinem Bündel zu holen. Das sauertöpfische Gesicht war plötzlich ganz erstaunt, als sie zurückkam. Aber ehe ich das Kleid anziehen konnte, musste ich in ein neues Korsett geschnürt werden. Fischbein, das von rosafarbenem Satin umnäht war, mit blauen Röschen auf den Brüsten.
    «Atme aus», befahl Jesmire und versuchte, die Schnüre festzuziehen. Mein Unterleib wurde zusammengedrückt wie ein Presskopf. Ich war steif wie ein Ladestock, meine Taille war bewegungsunfähig wie ein Schürhaken, und meine Brüste wurden wie zwei Pfirsiche bis unter meinen Hals hochgedrückt. Danach wurden zwei Reifröcke auf einem Rahmen um meine Taille gebunden. Es dauerte höllisch lange, bis das Kleid richtig saß, denn die Ärmel mussten noch ausgelassen werden, um über meine muskulösen Arme zu passen.
    «Es gab mal eine Zeit, da hat mein Onkel mich für seine Freunde so angezogen, damit sie mich bewundern», sagte meine Herrin mit seltsam belegter Stimme. «Einer Frau, vor allem einer jungen Frau schmeichelt diese Mode.» Dann wurde sie wieder ganz normal und befahl: «Lass dich mal ansehen. Heb die Arme.»
    Ich tat wie befohlen.
    «Das sieht nach einer frischen Narbe aus.» Sie deutete auf die rosige Schwiele unterhalb meines Ellbogens, die wie Taft schimmerte. «Du dummes Mädchen. Ich hab dir doch gesagt, du sollst aufpassen. Muss ich denn für alle mitdenken? Jesmire, hol meine weißen Handschuhe.»
    Ich zog die langen Seidendinger an, die wie feine Strümpfe mit Löchern für die Finger waren. Ich fühlte mich wie die sprichwörtliche Katze im Sack, aber in den Handschuhen würde ich wenigstens die Hände stillhalten.
    Meine Herrin ließ noch ein paar letzte Änderungen vornehmen: Ich bekam eine karminrote Seidenrüsche um den Hals und ein Täschchen mit einem elfenbeinernen Fächer und einem Töpfchen Zinnoberrot, um meine Lippen nachzumalen.
    Schließlich erlaubte sie mir, mich im Spiegel zu betrachten. Ich musste feststellen, dass ich ordentlich verwandelt worden war. Es war schon irgendwie was Besonderes, und ich sah die Lyoner Korsettnäherin vor mir, die sich die Finger blutig gestochen hatte, ebenso wie die jahrhundertealte Kunst des Schuhmachers, der meine bebänderten Schuhe genäht hatte. Das Fließen des Kleids und der Schimmer und der Glanz – ach, das hatte schon einen speziellen Zauber. Ich erkannte mich selbst nicht wieder. Ich war eine andere Frau, steifer und eleganter, in Seide und Mode und Geld gehüllt. Meine eigene Ma hätt sich in einen Graben am Straßenrand geduckt, um mir Platz zu machen.
    Ich schaute mich ganz benommen um. Meine Herrin beobachtete mich und wirkte selbstzufrieden wie eine Katze, die den Sahnetopf ausschleckt. Dass Jesmire sich entfernt hatte, merkte ich erst, als ich das Klappern auf den Stufen hörte.
    Mr. Pars’ Stiefel knallten mit jedem Schritt lauter die Treppe hoch. Ich wich zum Fenster zurück, als er an die Tür klopfte und sie danach sofort aufriss.
    «Mylady, auf ein Wort bitte.» Sein Gesicht war vor Wut knallrot.
    Dann entdeckte der alte Pars mich. Verschiedene Ausdrücke huschten gleichzeitig über sein Gesicht. Zuerst wirkte er zerknirscht und machte Anstalten, sich zu verbeugen. «Madame, verzeiht», murmelte er unterwürfig. Er erkannte mich nicht. Als Nächstes verstummte er und wurde misstrauisch, kniff die Augen zusammen und starrte mich prüfend an. Schließlich wusste er, wer ich war.
    Er wandte sich an meine Herrin und schien, als wollte er sie da auf ihrem Bett am liebsten erwürgen. «Mylady, verzeiht, aber … soll das ein Scherz sein?»
    «Sie wird uns den Schlüssel holen», erwiderte Lady Carinna kühl.
    «Sie?! Also, ich könnte doch …»
    Meine Herrin unterbrach ihn ungerührt. «Er erwartet sie. Also mich. Eine

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