Das Schicksal der Zwerge
... wollte Euch nicht in Verlegenheit bringen«, sagte er erschrocken. »Ich hielt es für ein Spiel, und weil Ihr mich doch auf die Stirn küsstet ...« Er geriet ins Stammeln und verstummte. »Ein Spiel«, stimmte sie ihm zu und hielt die Hand auf, um ihr Schwert zurückzufordern. Schnell reichte er es ihr. »Vergessen wir es. Ihr habt gewonnen und werdet keine zweite Gelegenheit erhalten.«
Er räusperte sich. »Verzeiht, ich habe mich hinreißen lassen. Ich entschuldige mich in aller Form bei Euch. Das hätte ich niemals tun dürfen.« Er verneigte sich vor ihr. »Schlagt mich, wenn Ihr wollt.«
»Damit Ihr abtaucht und mich ein weiteres Mal küssen könnt? Nein, vielen Dank, Rodario der Siebte«, lehnte sie ab und verstaute ihre Waffen. »Belassen wir es dabei.« Auch wenn sie versuchte, den Vorfall mit einem Scherz abzutun, Mallenia wurde die Unsicherheit nicht los. Wie sehr sie das hasste.
Sie marschierte wieder zum Rand der Turmplattform und blickte krampfhaft geradeaus, um die Schönheit des Sees zu bewundern, doch ihre Gedanken waren zu aufgewühlt. Es war nur ein flüchtiger Kuss, schalt sie sich selbst. Ein Kuss von einem Kind. Wie kann er mich durcheinanderbringen?
»Rodario? Mallenia? Seid Ihr da oben?«, schallte Coiras Stimme die Treppe hinauf. »Das sind wir, Prinzessin. Wir genießen die Aussicht und halten nebenbei nach den Feinden Weyurns Ausschau«, gab der Mime übertrieben draufgängerisch zurück. »Was können wir für Euch tun?«
»Runterkommen«, lautete die erheiterte Anweisung. »Es gibt Neuigkeiten, die für Mallenia von Belang sind.«
In aller Eile liefen Rodario und die Kriegerin die Stufen hinab und stießen zu Coira, die sie auf halber Strecke erwartete. »Meine Mutter hat Kunde aus einem Dorf in der Nähe von Seenstolz erhalten«, sagte sie nach einer kurzen Begrüßung. Die Augen richteten sich auf Mallenias Armverband. »Erinnert mich daran, dass wir ihn morgen abnehmen. Die Wunde müsste soweit verwachsen sein, dass Luft und Sonne darandürfen, um die Heilung zu beschleunigen.«»Ist es gute oder schlechte Kunde?«, verlangte Rodario zu wissen.
»Ich weiß es nicht. Meine Mutter ließ mich ebenso rufen. Wir werden es gleich erfahren.«
Hurtig ging es durch den Palast, durch hohe, lichtdurchflutete Korridore und Nebenzimmer, bis sie in den Saal gelangten, wo sie Wey die Elfte zum ersten Mal gesehen hatten.
Das Fenster war instand gesetzt worden, und der Anblick der glitzernden Wellen im Schein der Sonne, der Fischerboote mit den bunten Segeln und der kreisenden Vögel vor einem schier endlosen Horizont hatte nichts von seiner Faszination verloren. Königin Wey saß hinter ihrem Schreibtisch. Das türkisfarbene Kleid stand ihr ausgezeichnet, und sie wirkte erholt und ausgeruht. Dafür sah man die Sorge in ihrem Gesicht. »Setzt Euch«, bat sie die Gäste. »Es gibt Dinge zu berichten.«
»Ist etwas in Idoslän geschehen, Hoheit?«, fragte Mallenia auf der Stelle und nahm Platz.
»Nein. Hier in der Nähe, im Dorf Seelingen. Ein Fischer berichtete mir von zwei Albae, die umgehen sollen«, sagte die Königin ernst. »Was mich stutzig macht, ist die Tatsache, dass nur er sie gesehen haben will und niemand sonst.« Sie pochte mit dem rechten Zeigefinger auf die Tischplatte. »Ich denke, dass das Dorf schweigt. Aus Angst. Die Albae verbergen sich sicherlich dort und lauern auf eine günstige Gelegenheit.« Sie sah die Ido an. »Um sich nach Seenstolz einzuschleichen und Euch zu töten.« »Dann lass mich nachsehen, Mutter«, bat Coira unverzüglich. »Sie können mir nichts anhaben.«
»Gegen einen Pfeil aus dem Hinterhalt wirst auch du wenig ausrichten, meine Tochter«, erwiderte Wey. »Am Strand hast du sie überrascht, aber jetzt wissen sie, mit welchem Gegner sie es zu tun haben. Die Albae werden es vermeiden, sich tagsüber offen zu zeigen.« Sie sah Mallenia an. »Deshalb ist mein Vorschlag, dass wir ihnen eine Gelegenheit geben, sich anzuschleichen. Eine von uns kontrollierte Gelegenheit.« »Andere würden Falle dazu sagen«, warf Rodario vergnügt ein. »Hoheit, das ist ein unglaublich guter Einfall!«
»Oh, ich danke für Euer Fürsprechen«, meinte sie belustigt. »Der Fischer, der sich bei mir meldete und die Albae verriet, wird ein paar Unwahrheiten im Dorf erzählen, was die Schwarzaugenanlocken wird. Dass unsere Wachen an Durchfall leiden und sich kaum mehr rühren können.«
»Wie viele wissen, dass Ihr von den Ketten befreit seid, Hoheit?« Mallenia hielt es kaum auf
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