Das Schicksal des Highlanders
leichten, raschen Berührung Grizels Schmutz und Gestank auf sie übergegangen. Außerdem fiel Maldie auf, dass sich die Frau weniger leise bewegte, sobald sie sich von ihr bemerkt wähnte. Die beiden Männer, die noch immer in ihr Gespräch über die bevorstehende Schlacht und einen möglichen Verrat vertieft waren, bemerkten Grizels Anwesenheit überhaupt nicht.
Die Alte nahm das Tablett und schickte sich zu gehen an, doch zuvor warf sie noch einen Blick auf die beiden Männer. Die Miene, mit der sie Balfour und Nigel musterte, ließ Maldie erschauern. Es war der reine Hass, den sie in Grizels Gesicht entdeckte. Obgleich sie es nur ganz kurz wahrgenommen hatte, war dieses Gefühl so stark, dass in Maldie ein bitterer Geschmack hochstieg. Vergeblich versuchte sie sich einzureden, sie sei töricht und habe sich von den düsteren Gedanken der Brüder anstecken lassen. Obwohl sie die Murrays nicht sehr gut kannte, konnte sie sich nicht vorstellen, was einen solchen Hass ausgelöst haben mochte, aber sie konnte ihn weder ignorieren noch leugnen. Grizel hasste die Brüder. Maldie fragte sich, ob sie gerade die Verräterin entdeckt hatte – woraus sich allerdings gleich die nächste Frage ergab: Wie sollte sie es den Brüdern beibringen?
»Du siehst müde aus, Nigel«, meinte Balfour. »Ruh dich aus. Offenbar kommen wir im Moment nicht weiter. Aber ich bin immerhin beruhigt, dass auch du glaubst, dass es in Donncoill einen Verräter gibt.«
»Besser wäre es, wir wüssten, wer es ist«, murmelte Nigel und sank auf seine Kissen.
»Es ist Grizel«, sagte Maldie. Warum lang um den heißen Brei herumreden? Doch als die beiden Männer sie anstarrten, wäre sie am liebsten einen Schritt zurückgewichen.
»Was ist mit Grizel?«, fragte Balfour. »War sie gerade hier?« Er schnitt eine Grimasse. »Um Himmels willen, ich glaube, ich kann sie noch riechen!«
»Das kann gut sein. Ich achte peinlich auf die Sauberkeit in diesem Raum. Deshalb riecht man es jetzt sofort, wenn sich hier Schmutz breitmacht.«
»Soll das heißen, dass meine Kammer früher nicht sauber war? Das trifft mich aber schwer!«, scherzte Nigel.
»Jedenfalls ist sie jetzt sauberer«, entgegnete Maldie. »Aber ich habe nicht nur von Grizels Dreck und ihrem Gestank gesprochen, sondern auch von ihrem Hass. Der ist so stark, dass ich ihn riechen kann. Grizel hasst dich und Nigel. Sie hasst euch mit jeder Faser ihres Herzens.«
Balfour rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ich weiß, dass die Frau ständig schlechte Laune hat und mit niemandem hier auskommt, ob Mann, Frau oder Kind, aber bis zum Hass ist es da noch weit. Doch wenn sie uns tatsächlich hasst, was soll uns das groß ausmachen?«
Maldie schüttelte den Kopf. »So spricht nur jemand, der in Wohlstand und mit sämtlichen Annehmlichkeiten aufgewachsen ist. Wer von Bediensteten umgeben ist, ist oft zu blind, um deren Wert, aber auch die von ihnen ausgehende Bedrohung zu erkennen. Ihr seid euch sicher, dass jemand Beaton geholfen haben muss, euren Bruder zu entführen. Dennoch fällt euch niemand ein, der einen Grund haben könnte, euch zu hintergehen. Nun, ich nenne euch einen guten Grund: Hass. Bevor ihr Grizel als harmlos abtut, überlegt euch lieber, wodurch ihr Hass verursacht worden sein könnte. Darin liegt möglicherweise die Antwort.«
»Unser Vater hat einmal mit ihr geschlafen.« Nigel zuckte mit den Schultern. »Früher sah sie gar nicht so schlecht aus, und sie war auch viel sauberer.«
»Und dann hat er sie verstoßen?«, fragte Maldie. Sie musste sich zwingen, sich nicht sofort lautstark zu empören.
»Ja, als er sich in Erics Mutter verliebte. Ich fürchte, damals ist Grizels Schönheit ziemlich rasch verwelkt. Jedenfalls verspürte er auch nach dem Tod seiner neuen Geliebten kein Verlangen mehr, in Grizels Arme zurückzukehren.«
»Grizel war früher also die Geliebte des Lairds und eine richtige Schönheit. Dann hat er sie wegen einer anderen verstoßen, und sie musste zusehen, wie das Kind dieser Frau als Sohn des Lairds großgezogen wurde und ihre Schönheit schwand. Das ist meiner Meinung nach ein sehr triftiger Grund, warum die Frau die Männer der Murrays hassen könnte; es würde auch schlüssig erklären, warum sie etwas gegen Eric haben könnte.«
»Es sollte jedenfalls reichen, um Grizel unter Beobachtung zu halten«, sagte Balfour, als er zur Türe ging. »Ich werde mich darum kümmern. Bloße Worte und ein Verdacht reichen natürlich nicht aus, um sie des Verrats zu
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