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Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Titel: Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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diese Leute wirklich traurig waren und dass ich eigentlich nicht böse auf sie war. Ich war böse auf das Universum. Trotzdem ärgerte ich mich: Du kriegst all die Freunde, wenn du keine Freunde mehr brauchst. Ich schrieb einen Kommentar zu dem letzten Beitrag:
     
Wir leben in einem Universum, das der Schöpfung, der Ausrottung und dem Bewusstsein gewidmet ist. Augustus Waters starb nicht nach einem langen Kampf gegen den Krebs. Er starb nach einem langen Kampf gegen das menschliche Bewusstsein, ein Opfer – wie auch du irgendwann – des Bedürfnisses des Universums, alles, was möglich ist, zu schaffen und wieder abzuschaffen.
     
    Ich schickte den Kommentar ab und wartete auf eine Antwort, indem ich immer wieder auf Aktualisieren drückte. Nichts. Mein Eintrag verschwand im Sturm der neuen Einträge. Alle würden ihn so vermissen. Alle beteten für seine Familie. Ich erinnerte mich an Van Houtens Brief: Schreiben begräbt, es erhält nicht am Leben.
     
    Nach einer Weile ging ich ins Wohnzimmer, um bei meinen Eltern zu sein und fernzusehen. Ich weiß nicht mehr, was lief, aber irgendwann fragte meine Mutter: »Hazel, was können wir für dich tun?«
    Und ich schüttelte nur den Kopf. Ich fing wieder an zu weinen.
    »Was können wir tun?«, fragte Mom wieder.
    Ich zuckte die Schultern.
    Aber sie fragte immer weiter, als gäbe es etwas, das sie tun konnte, bis ich am Ende über das Sofa auf ihren Schoß kroch und mein Vater sich zu uns setzte und meine Beine ganz fest hielt und ich die Arme um Moms Taille schlang und sie mich einfach nur hielten, stundenlang, während die Flut hereinströmte.

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
     
    Als wir ankamen, setzte ich mich erst mal ganz hinten in die Kapelle, einem kleinen, unverputzten Seitenflügel neben dem Altarraum der Buchstäblichen Herz Jesu-Kirche. Es waren vielleicht achtzig Stühle aufgebaut, und sie waren zu zwei Dritteln besetzt, doch es fühlte sich an wie ein Drittel leer.
    Eine Weile beobachtete ich nur, wie die Leute zum Sarg gingen, der vorne auf einer Art Karren mit einem lila Tischtuch stand. Diese ganzen Leute, die ich noch nie gesehen hatte, knieten neben ihm oder standen vor ihm und sahen ihn eine Weile an, weinten vielleicht oder murmelten etwas, und dann berührten sie alle den Sarg, statt ihn zu berühren, weil niemand die Toten berühren will.
    Gus’ Eltern standen neben dem Sarg und umarmten jeden, der nach vorne kam, aber als sie mich sahen, lächelten sie und kamen zu mir. Ich stand auf und umarmte zuerst seinen Vater und dann seine Mutter, die mich zu fest hielt, wie Gus früher, und mir die Schulterblätter quetschte. Sie sahen beide so alt aus – die Augen tief in den Höhlen, die Haut schlaff in ihren erschöpften Gesichtern. Auch sie hatten das Ende eines Hürdenlaufs erreicht.
    »Er hat dich so geliebt«, sagte Gus’ Mutter. »Aus tiefstem Herzen. Das war nicht – das war keine Kinderliebe oder so was«, erklärte sie, als wüsste ich das nicht.
    »Er hat euch auch so lieb gehabt«, sagte ich leise. Es ist schwer zu beschreiben, aber mit ihnen zu sprechen fühlte sich an, wie mit einem Messer auf sie einzustechen und von ihnen erstochen zu werden. »Es tut mir so leid«, sagte ich. Und dann sprachen seine Eltern mit meinen Eltern – ein Gespräch, das nur aus Nicken und zusammengepressten Lippen bestand. Als ich mich umsah, sah ich, dass niemand am Sarg war, und ich beschloss hinzugehen. Ich nahm mir die Stöpsel aus der Nase, zog den Sauerstoffschlauch vom Kopf und gab ihn meinem Vater. Ich wollte, dass nur er und nur ich es waren. Dann nahm ich meine kleine Handtasche und ging den provisorischen Gang zwischen den Stühlen hinauf.
    Der Weg fühlte sich lang an, aber ich redete auf meine Lunge ein, dass sie die Klappe halten sollte, dass sie stark war, dass wir es schafften. Als ich näher kam, konnte ich ihn sehen: Das Haar mit einem ordentlichen Seitenscheitel, den er grauenhaft gefunden hätte, das Gesicht plastifiziert. Aber es war immer noch Gus. Mein schlaksiger, wunderschöner Gus.
    Ich wollte das kleine Schwarze anziehen, das ich für den Schulball in der Neunten gekauft hatte, mein Todeskleid, aber es passte nicht mehr, und so trug ich ein schlichtes schwarzes knielanges Kleid. Augustus hatte denselben Anzug mit dem schmalen Revers an, den er im Oranjee getragen hatte.
    Als ich mich hinkniete, wurde mir klar, dass sie ihm die Augen geschlossen hatten – natürlich – und dass ich nie wieder in seine blauen Augen sehen würde. »Ich

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