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Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Titel: Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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brennen, um an die riesigen Sauerstoffvorräte der Atmosphäre zu kommen. Als die Schwester mich nach meinen Schmerzen fragte, konnte ich nicht mal mehr sprechen, und so hielt ich neun Finger hoch.
    Später, nachdem sie mir etwas gegeben hatten, kam die Schwester herein, und sie streichelte mir die Hand, während sie mir den Blutdruck maß, und sagte: »Weißt du, woran ich merke, dass du eine Kämpferin bist? Du hast die Zehn eine Neun genannt.«
    Aber das stimmte nicht. Ich hatte neun gesagt, weil ich mir die Zehn aufhob. Und jetzt war sie da, die große, schreckliche Zehn, und stürzte über mich herein, immer wieder, während ich still und allein in meinem Bett lag und an die Decke starrte, und die Wellen warfen mich gegen die Felsen und rissen mich wieder hinaus ins Meer, um mich wieder gegen die gezackten Klippen zu schleudern, und die ganze Zeit trieb ich mit dem Gesicht nach oben auf dem Wasser, ohne zu ertrinken.
    Irgendwann rief ich ihn an. Sein Handy klingelte fünf Mal, dann war die Voicemail dran. »Das ist die Nummer von Augustus Waters«, sagte er, die herrliche Stimme, in die ich mich verliebt hatte. »Hinterlasst mir eine Nachricht.« Es piepte. Das tote Rauschen in der Leitung war so unheimlich. Ich wollte zurück in den geheimen überirdischen dritten Raum, in dem wir waren, wenn wir telefonierten, an den Ort, der weder bei ihm noch bei mir war, sondern ein unsichtbarer Ort. Ich hielt mir das Telefon ans Ohr und wartete auf das Gefühl, aber es kam nicht. Das tote Rauschen in der Leitung war kein Trost, und schließlich legte ich auf.
    Ich holte den Laptop unter dem Bett hervor, startete ihn und ging auf seine Pinnwand, wo jetzt schon die Beileidskommentare hereinzufluten begannen. Der jüngste lautete:
     
Ich liebe dich, Bro. Wir sehen uns auf der anderen Seite.
     
    … geschrieben von jemandem, von dem ich noch nie gehört hatte. Tatsächlich stammten fast alle Pinnwand-Einträge von Leuten, die ich nie kennengelernt hatte und von denen er nie gesprochen hatte. Leute, die jetzt, wo er tot war, seine Tugenden rühmten, obwohl ich genau wusste, dass sie ihn seit Monaten nicht gesehen hatten, nicht die geringste Anstrengung unternommen hatten, ihn zu besuchen. Ich fragte mich, ob meine Pinnwand auch so aussehen würde, wenn ich tot war, oder ob ich lange genug aus der Schule und aus dem Leben draußen war, um einer solchen Massengedenkfeier zu entkommen.
    Ich las weiter.
     
Ich vermisse dich jetzt schon, Bro.
 
Ich hab dich lieb, Augustus. Gott segne dich und behüte dich.
 
In unserem Herzen wirst du ewig leben, großer Mann .
     
    (Was mich besonders ärgerte, weil es die Unsterblichkeit der Hinterbliebenen implizierte: In meiner Erinnerung lebst du ewig, weil ich ewig lebe! ICH BIN JETZT DEIN GOTT, TOTER JUNGE! ICH BESITZE DICH! Zu denken, dass man selbst nie stirbt, ist eine weitere Nebenwirkung des Sterbens.)
     
Du bist immer ein toller Freund gewesen, tut mir leid, dass ich dich nicht öfter gesehen habe, nachdem du nicht mehr in der Schule warst, Bro. Ich wette, du spielst jetzt Basketball im Himmel.
     
Ich stellte mir Augustus Waters’ Analyse des letzten Eintrags vor: Falls ich im Himmel Basketball spiele, heißt das, dass die physische Verortung des Himmels physische Basketbälle beinhaltet? Wer stellt die fraglichen Bälle her? Gibt es unglücklichere Seelen im Himmel, die in einer himmlischen Basketballfabrik arbeiten müssen, damit ich spielen kann? Oder hat ein allmächtiger Gott die Basketbälle aus der Leere des Raums erschaffen? Befindet sich dieser Himmel in einer Art unbeobachtbarem Universum, wo die Gesetze der Physik nicht gelten, und wenn ja, warum zum Teufel soll ich da Basketball spielen, wenn ich auch fliegen, lesen oder schöne Menschen betrachten könnte oder andere Sachen, die ich viel lieber tue? Die Art, wie du dir mein totes Ich vorstellst, sagt mehr über dich aus als über den Menschen, der ich war, oder über das was auch immer ich jetzt bin.
     
    Seine Eltern riefen gegen Mittag an, um zu sagen, dass in fünf Tagen, am Samstag, die Beerdigung stattfinden würde. Ich stellte mir eine Kirche voller Leute vor, die glaubten, dass er Basketball liebte, und wollte kotzen, aber ich wusste, dass ich hingehen musste, weil ich eine Rede halten würde und alles. Als ich auflegte, las ich weiter, was auf seiner Pinnwand stand:
     
Habe gerade gehört, dass Gus Waters nach seinem legendären Kampf gegen Krebs gestorben ist. Ruhe in Frieden, Kumpel.
     
    Ich wusste, dass

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