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Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Titel: Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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standen noch im selben Kreis. Doch jetzt sah ich nur Gus im Rollstuhl, gespenstisch dünn. Er blickte mir aus der Mitte des Kreises entgegen. Er hatte gewartet, dass der Fahrstuhl aufging.
    »Hazel Grace«, sagte er, »du siehst umwerfend aus.«
    »Ja, oder?«
    Ich hörte ein Rascheln in einer dunklen Ecke des Saals. Isaac stand an einem kleinen Stehpult, an dem er sich festhielt. »Willst du dich setzen?«, fragte ich ihn.
    »Nein, ich will gerade mit meiner Grabrede anfangen. Du bist spät.«
    »Du willst … ich bin … was?«
    Gus gab mir ein Zeichen, mich zu setzen. Ich zog einen Stuhl in die Mitte des Kreises, und Gus drehte sich mit dem Rollstuhl zu Isaac um. »Ich will meine Beerdigung erleben«, sagte Gus. »Übrigens, sagst du was auf meiner Beerdigung?«
    »Aber natürlich, klar«, antwortete ich und legte den Kopf auf seine Schulter. Ich umarmte ihn samt der Rollstuhllehne. Er zuckte zusammen. Ich ließ ihn wieder los.
    »Super«, sagte er. »Ich hoffe ja immer noch, dass ich als Geist dabei sein kann, aber nur um sicherzugehen, dachte ich – ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen oder so, aber heute Nachmittag hatte ich die Idee, ich könnte eine Vorbeerdigung arrangieren, und weil ich im Moment ganz gut drauf bin, dachte ich, was du heute kannst besorgen …«
    »Wie bist du überhaupt hier reingekommen?«, fragte ich.
    »Hättest du gedacht, dass sie die ganze Nacht die Tür auflassen?«, fragte Gus.
    »Nein«, sagte ich.
    »Solltest du auch nicht.« Gus lächelte. »Egal. Ich weiß, dass es ein bisschen selbstherrlich ist.«
    »Hey, du klaust mir die Grabrede«, rief Isaac. »Im ersten Teil rede ich darüber, was für ein selbstherrlicher Arsch du bist.«
    Ich lachte.
    »Okay, okay«, sagte Gus. »Du kannst jederzeit loslegen.«
    Isaac räusperte sich. »Augustus Waters war ein selbstherrlicher Arsch. Aber wir vergeben ihm. Wir vergeben ihm, weil er ein Herz hatte, das im übertragenen Sinn so gut war, wie sein buchstäbliches Herz schlecht war, und auch weil er mehr über das Halten einer Zigarette wusste als sonst ein Nichtraucher der Weltgeschichte und weil er nur achtzehn Jahre alt wurde, obwohl er zehn Mal so viel verdient hätte.«
    »Siebzehn«, korrigierte ihn Gus.
    »Ich nehme an, dass du noch ein bisschen Zeit hast, du Einmischer.
    Ich muss euch sagen, Augustus Waters redete so viel, dass er einem sogar auf seiner eigenen Beerdigung ins Wort fiel. Und er war ein Angeber: Verdammt, nicht mal pinkeln konnte er, ohne über die metaphorische Tragweite der menschlichen Abfallproduktion nachzudenken. Und er war eitel: Ich glaube nicht, dass mir je ein körperlich attraktiverer Mensch begegnet ist, der sich seiner eigenen körperlichen Attraktivität dermaßen bewusst war.
    Und dennoch muss ich sagen: Wenn eines Tages die Wissenschaftler der Zukunft mit Roboteraugen bei mir anklopfen und sagen, ich soll sie anprobieren, dann schlage ich ihnen die Tür vor der Nase zu, weil eine Welt ohne Augustus Waters eine Welt ist, die ich gar nicht sehen will.«
    Inzwischen weinte ich ein bisschen.
    »Na ja, und dann mache ich die Tür wieder auf und probiere die Roboteraugen trotzdem aus, denn, ich meine, mit Roboteraugen kann man wahrscheinlich den Frauen unters Hemd gucken und so was. Augustus, mein Freund, gute Reise.«
    Augustus nickte schweigend, die Lippen geschürzt, und dann hielt er die Daumen hoch. Als er die Fassung wiedergefunden hatte, sagte er: »Ich würde den Teil weglassen, wo du den Mädchen unters Hemd gucken willst.«
    Isaac hielt sich immer noch an dem Stehpult fest. Er fing zu weinen an. Er drückte die Stirn auf das Pult, und ich sah, wie seine Schultern zuckten, doch er gab keinen Laut von sich, bis er endlich mit gebrochener Stimme sagte: »Verdammt, Augustus, musst du auch noch deine eigene Grabrede zensieren?«
    »Bitte nicht fluchen in Jesus’ buchstäblichem Herzen«, erwiderte Gus.
    »Verdammt noch mal«, sagte Isaac wieder. Langsam hob er den Kopf und schluckte. »Hazel, kannst du mir hier mal die Hand reichen?«
    Ich hatte vergessen, dass er nicht allein zurück in den Kreis kommen konnte. Ich stand auf, legte seine Hand auf meinen Arm und führte ihn langsam zu dem Stuhl neben Gus, auf dem ich gesessen hatte. Dann ging ich zum Podium und faltete das Blatt auseinander, auf dem ich meine Grabrede ausgedruckt hatte.
    »Ich heiße Hazel. Augustus Waters war die große unglückselige Liebe meines Lebens. Unsere Liebe war monumental, und ich kann kaum einen ganzen Satz

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