Das Schiff aus Stein
…«
»Und da es nur einen wirklich berühmten Tempel mit zwei Säulen davor gibt«, übernahm Bent den Faden wieder, »nämlich den Tempel –«
»Ihr meint Salomons Tempel?«, fragte Filine entgeistert.
»Ja!« Bents Augen leuchteten auf.
»Aber der stand in Jerusalem!« Filine fasste sich an die Stirn. »Und das steht so auch nur in der Bibel. Archäologisch ist es nicht nachgewiesen. Und das Meer, an dem wir waren, hat Wellen geschlagen! Also war es –«
»Genau, das Tote Meer!« Anselm grinste sie an.
»Aber –«, sagte Filine.
Doch Bent unterbrach sie sofort wieder. Der hagere Lehrling war ganz aufgeregt. »Das waren todsicher die beiden Säulen an Salomons Tempel. Ich habe sie genau erkannt.«
»Und wisst ihr, was das Beste ist?« Anselm kreischte jetzt fast. »Diesen Tempel sucht Coralia schon seit ziemlich langer Zeit. Wir müssen sie sofort dazuholen! Das wird sie echt cool finden.«
»Aber –«, sagte Filine wieder.
»Aber was?«, fragte Bent genervt. »Kennst du vielleicht sonst noch einen Tempel mit zwei Säulen?«
Filine schnappte nach Luft. »Nein, kenne ich nicht. Aber am Toten Meer gibt es keine Wellen! Das Tote Meer ist eigentlich ein See und hat außerdem einen enorm hohen Salzgehalt. Es bringt keine solchen Brecher hervor, wie wir sie gesehen haben.«
»Nicht?« Bent sah das Lehrlingsmädchen verblüfft an. »Bist du dir da sicher? Das glaube ich nicht!«
»Natürlich bin ich mir sicher!«, schnaubte Filine »Und wenn ihr euch etwas mehr Zeit genommen hättet und nicht gleich weggerannt wärt, hätten wir uns den Tempel vielleicht zusammen ansehen können. Ihr habt euch viel zu weit entfernt.«
»Na und?«, gab Anselm zurück. Allerdings wirkte er plötzlich etwas kleinlaut. »Ihr wusstet doch auch nicht, ob ihr auf der richtigen Spur wart.«
»Ich hatte jedenfalls das Gefühl, dass wir richtig waren«, erklärte Rufus. Plötzlich hielt er inne. Der Onkel des Jungen hatte irgendetwas gesagt, was er sich hatte merken wollen. Aber in der Aufregung der letzten Minuten hatte er es wieder vergessen. Was war das denn nur gewesen? Irgendwas mit dem Meer? Oder …
»Ja, ja«, Anselm zuckte die Schultern. »Wir sind sowieso eine viel zu große Gruppe, um diese Flut zusammen durchzustehen. Sechs Leute in einer Stadt, die man nicht überblicken kann. Wir wissen ja nicht mal, um wessen Artefakt es sich handelt, welcher Spur wir folgen sollen und um was es geht. Ohne Coralias Wissen sind wir hier total verloren.«
»Ohne Coralia?!« No verzog das Gesicht. »Was soll denn der Quatsch!? So eine bescheuerte Ansage habe ich ja wohl noch nie gehört. Wir sind zu sechst, Leute. Und sechs ist ja wohl der Vollhammer!« Er breitete die Arme aus. »Wir können jede Stadt locker durchkämmen und rausfinden, wo wir sind. Wir dürfen uns nur nicht so blöd verhalten wie eben. Und wir vier hatten sehr wohl eine Spur, nämlich den Glasmacher, einen Jungen namens Amilcar. Und wir wissen noch viel mehr! Dass die Stadt am Meer liegt, dass sie eine Mauer und einen Hafen hat, dass dort Glas hergestellt wird, dass es schrecklich viele Geschäfte gibt und ziemlich stinkt! Und dass die Menschen dort Handel mit anderen Städten treiben. Und dann noch das mit dem Tempel, den ihr gesehen habt. Die Frage ist doch wohl nur, ob wir zusammen weiterforschen wollen. Okay, ihr beide wolltet zu dem Tempel gehen. Und wir eben nicht. Dann müssen wir uns beim nächsten Mal besser absprechen.«
Filine sah No erstaunt an. »Das sind ja ganz neue Töne von dir! Und das nur, weil du keine Lust hast, mit Coralia zusammen in einer Flutgruppe zu sein?«
»Wenn es nicht sein muss«, gab No zu. »Aber viel wichtiger ist, dass mich diese Stadt total interessiert. Da warte ich doch nicht, ob Coralia vielleicht mitmachen will. Mann, so einen Hammerort habe ich noch nie gesehen. Die engen Straßenschluchten sahen aus wie ein antikes New York! Richtige Hochhäuser, in denen es nur offenes Feuer als Licht gibt. Das ist doch der Megahammer! Und dann erst das Handwerk da. Leute, das kann doch echt irre werden! Und wirklich, wir schaffen das sehr gut ohne Coralia!«
Anselm warf Bent einen unsicheren Blick zu. »Na ja«, meinte er dann, »aber eine große Flutgruppe heißt ja noch lange nicht, dass es auch um ein besonderes Artefakt geht. Es kann irgendein ganz kleines Ding sein, das niemand interessiert. Und wir jagen ihm dann tagelang nach und haben immer den Stress, dass wir darauf achten müssen, wo die anderen gerade
Weitere Kostenlose Bücher