Das Schiff aus Stein
Einige von ihnen waren unten abgeflacht, andere waren unten spitz und staken in runden Metallhaltern, damit sie nicht umfielen. Dicht daneben stapelte sich eine Vielzahl flacher Glasschalen in verschiedenen Farben.
»Wow!« No, Oliver und Filine waren ebenfalls eingetreten. No lachte. »Wo sind wir denn hier gelandet? Ist das Ali Babas Schatzhöhle oder was?«
Oliver zog seinen Block hervor und begann zu zeichnen. Mit fliegenden Fingern warf er die verschiedenen Gegenstände aufs Papier. Rufus überlegte, ob er das auch tun sollte. Aber irgendetwas hielt ihn davon ab und zog ihn zurück in den Hof.
»Keine Ahnung, aber das scheint alles Glas zu sein! Und du hast recht, es wirkt wie eine Schatzkammer – oder auch wie ein Warenlager!«
Er verließ den Raum, ging zurück in den Hof und umrundete die Kuppel. Filine und No kamen mit. Jetzt erst spürte Rufus, was die Kuppel und der darunter liegende Keller für eine enorme Hitze abstrahlten. Er trat auf die abwärts führenden Stufen.
»So eine Wärme habe ich in einem Kellerraum noch nie erlebt, das ist ja wie in der Sauna.«
»Ja, oder wie in einem Ofen!«, brummte No, der dicht hinter ihm ging.
»Natürlich!«, stimmte Rufus zu. »Das muss es sein! Vielleicht ist das eine Küche. Aber was kochen die da?«
»Ich glaube eher nichts zu essen«, antwortete No. »Das würde man doch riechen! Und duften tut es hier nicht gerade.«
Filine lachte auf. »Das ist bestimmt eine Werkstatt. Und wenn man eins und eins zusammenzählt, würde ich mal sagen, wir sind hier in einer Glaswerkstatt gelandet. Glas muss man doch irgendwie aus verschiedenen Materialien zusammenschmelzen, oder?«
Sie gingen weiter um die Kuppel herum und kamen an eine fenstergroße Öffnung, hinter der es hell loderte.
Die Lehrlinge beugten die Köpfe vor und sahen hinein. Im selben Moment zogen sie sie erschrocken wieder zurück. Die Hitze, die ihnen entgegenschlug, war fast unerträglich. Unterhalb der Öffnung loderte nämlich ein gewaltiges, aus dicken Holzstämmen gespeistes Feuer hinter einer niedrigen Mauer. Und dicht davor kochte in einem riesigen Steinbecken etwas, das aussah wie flüssige Lava.
»Das ist wirklich ein Glasofen da drin«, staunte Filine. »Diese helle glühende Masse, das muss flüssiges Glas sein!«
No zeigte auf eine Ecke des Hofs, die die Lehrlinge erst jetzt einsehen konnten. Dort türmten sich gewaltige Berge aus weißem Sand. Unter einem Holzdach standen große Amphoren, um die herum deutliche Spuren eines weißen Pulvers lagen, das dort offenbar verschüttet worden war. Außerdem gab es mehrere steinerne Drehscheiben, die wie Töpferscheiben aussahen.
»Ja klar, das ist wirklich flüssiges Glas da drin!«, rief No. »Man nennt das eine Glasschmelze, wie Meister Zachus neulich gesagt hat. Mann, das kocht da drin bestimmt ein paar Wochen. Und in den Amphoren da drüben sind wahrscheinlich irgendwelche Zutaten dafür, Pottasche und Soda, wisst ihr nicht mehr? Wir sind hier bei richtigen Glasmachern gelandet. Weißt du nicht, wie das genau geht, Fili? In Ägypten gab es Glas doch schon sehr früh.«
Filine schüttelte den Kopf. »Ja, aber damit habe ich mich noch nie beschäftigt. Und ich bin nicht so oft in Antike Werkstoffkunde wie du.«
Auf einmal traten ein Mann und ein etwa fünfzehnjähriger Junge aus dem Hinterhaus in den Hof und kamen auf den Ofenraum zu.
Der Junge hatte mandelförmige Augen, und sein glattes, schwarzes Haar hing ihm in einem gerade geschnittenen Pony in die Stirn. Er trug ein eng anliegendes, ärmelloses helles Gewand mit bunten, geometrisch anmutenden Stickereien darauf und hielt einen länglichen dunklen Klotz in Händen.
Der wesentlich ältere Mann war ähnlich gekleidet. Er redete heftig auf den Jungen ein.
Rufus verstand kein Wort. Fragend blickt er No und Filine an. »Könnt ihr das verstehen?«
No lauschte konzentriert. »Ja«, sagte er dann. »Der Junge heißt Amilcar und der Mann schimpft mit ihm.«
Rufus seufzte. Wenn No die Sprache verstehen konnte und er nicht, konnte es sich hier wohl kaum um eine Flut handeln, die von seinem Fragment ausgelöst worden war. Schade, das viele Glas hatte so gut zu seiner Scherbe gepasst …
Filine lauschte ebenfalls. Dann sagte sie: »Ich verstehe sie sehr gut. Der Mann hat gesagt: ›Amilcar, was hast du mit diesen Barren angestellt? Sie fühlen sich alle ganz glitschig an! Und was ist das für eine trübe Schicht da am Rand!‹«
Rufus sah seine beiden Freunde verwirrt an. Warum verstand
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