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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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roten Killernebel, dann braucht er natürlich Hilfe dabei, Betsy, Leute, die sich darum kümmern, so etwas wie den Reinigungsdienst, eine Entrümpelungskolonne. Dann müssen die Spezialisten her, klar. Das Blöde ist nur, wenn er die holen muß, dann spricht es sich schnell herum, daß das Schwein bald zum Schlachten fällig ist. Bist du bei den Bullen wirklich mit allen Namen rübergekommen, Betsy? Hast du nicht doch einen vergessen?«
    Sie schob die Flasche über den Tisch. Eine fahrige, betrunkene Geste. »Verpiß dich, Schätzchen. Trink noch einen, und dann verpiß dich. Das ist nicht die Amateurliga, verstehst du? Geh heim und schreib Gedichte.«
    Mein Glas war noch voll, und ich ließ es dabei. »Betsy«, sagte ich, »neulich hast du gesagt, Leute, die zu viel Fragen stellen, wären die Pest in eurem Gewerbe. Findest du nicht, daß diese Schweine die Pest sind?«
    Sie nahm mir die Flasche wieder weg und schenkte sich noch einen Kleinen ein und kippte ihn pur und ex. Das hatte Betsy bestimmt in Marseille gelernt. Ihre Augen verschwammen allmählich.
    »Sind alle die Pest«, ihre Stimme brach fast, »du und ich auch. Alle. Wird nichts werden, Schätzelchen. Hätte es wissen müssen. Leimen uns alle. Und dich zuerst. Schade, aber scheiß drauf. Trink noch einen mit, Schätzelchen, vielleicht ist es der letzte.«
    Wenn, dann jetzt. Ich war mit einem Satz bei ihr auf dem Sofa und langte über all die Fleischberge an die Korallenkette um ihren fetten, faltigen Hals. Ihre Zungenspitze fuhr über ihren Kußmund, aber wenn es eine Einladung war, stimmte das Timing nicht.
    »Betsy«, flüsterte ich, »die Tonbänder. Wer hat die Tonbänder? Und jetzt frag bloß nicht, welche?«
    »Du bist verrückt«, keuchte sie, »ich bring dich eigenhändig um.«
    »Versuch’s mal«, sagte ich, griff mit der linken Hand zu der fast leeren Ricardflasche, schlug sie an der Tischkante kaputt und setzte Betsy die Zacken an den Hals. Schnapstropfen rannen durch den Flaschenhals auf ihr Seidenkleid.
    »Die Jungs werden dich massakrieren, Harder.«
    »Die Jungs haben jetzt ganz andre Sorgen. Die Jungs mögen es auch nicht, wenn man Nebengeschäfte macht. Und die Tonbänder, das war doch ein Nebengeschäft. Irgendwann findet sich immer noch ein Dummer, den man damit erpressen kann. Ein Tante-Emma-Laden wie der hier wirft ja nicht genug ab für das Lokal in Banyuls. Nach Abzug der Unkosten und der Prozente für die Jungs, da reicht es doch nur noch zum Kamillentee. Du mußt dümmer sein, als ich dachte, zu glauben, daß keiner davon erfährt, Betsy.«
    »Fick dich ins Knie, Harder.«
    »Wer war gestern Nacht hier, als ich angerufen hab?«
    Sie war eine starke Frau, Betsy, aber das Argument an ihrem Hals war stärker, und vor allem war es spitzer. Unsere Gesichter waren höchstens einen halben Meter voneinander entfernt, und wir vergossen beide den sauren Schweiß und starrten in den roten Nebel.
    »Der Prinz«, flüsterte sie endlich.
    »Name?«
    »Mike. Mike Malzan.«
    »Seit wann bist du mit dem im Geschäft?«
    Tränen quollen aus ihren Augen. »Der bringt dich um, Harder.«
    »Nachher. Jetzt bin ich am Drücker.«
    »Es war doch seine Idee. Das Blaue vom Himmel hat er mir versprochen.«
    Plötzlich begriff ich, warum sie sich gegen die Flasche nicht zur Wehr gesetzt hatte. Betsy wußte längst, daß sie verloren hatte. Frauen. Geh nach Haus, Harder, du wirst sie nie begreifen.
    »Also hat er jetzt die Tonbänder?«
    »Es gibt keine mehr.«
    »Woher weißt du das?«
    »Wir haben sie gestern Nacht beseitigt.«
    Arbeitsteilung. Die einen beseitigen die Tote, die andern die Beweise. Wenn die auch gepfuscht hatten, saßen sie alle in der Tinte.
    Ich stand auf und warf die Flasche in die Ecke. Als Schreiber hatte ich so etwas nie gebraucht. Manches ändert sich eben.
    »Du kannst noch mit einem blauen Auge davonkommen«, sagte ich, riß das Telefonkabel aus der Wand und zertrat die Buchse mit dem Stiefelabsatz. »Aber nur, wenn du hier sitzen bleibst und die zweite Flasche Ricard ansetzt und mit den Mädchen auf Nuchali trinkst. Und auf dein Glück, Betsy.«
    »Ich schenk dir’s«, flüsterte sie.

31
    Als ich die Tür von Jade Beinsteins Auto zuschlug und die kurze Entfernung zur ›Farm für Freie Entfaltung‹ zurücklegte, fiel mir ein, was der Chef zu sagen pflegte: Wenn du an die Story glaubst, hilft dir das Reporterglück. Das Reporterglück war eine Hure und harte Arbeit, wie alles, was mit dem Glück zu tun hat, und meine Hure war

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