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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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»die Arbeit ist ganz und gar nicht getan. Sie fängt gerade erst an. Ich glaube, ich weiß, wo Miriam ist, und heute Abend werde ich versuchen, sie da rauszuholen. Dazu haben Sie mich doch engagiert, wissen Sie noch – als Bergungsexperte. Oder haben Sie Miriam inzwischen abgeschrieben?«
    »Was reden Sie für dummes Zeug!«
    »Jetzt mal ganz ruhig, Nora. Was hat Miriam gesagt?«
    »Das geht Sie nichts an. Wenn es Ihnen um das Honorar geht, ich schicke Ihnen einen Scheck. Sie haben sich bestimmt große Mühe gegeben, ich schicke Ihnen einen Scheck über zehntausend Mark, und die Spesen brauchen Sie nicht abzurechnen, das geht schon in Ordnung …«
    Ausgeflippt, dachte ich. Ausgeflippt oder meschugge vor Angst. Dabei ist sie doch gar nicht im Leichenschauhaus gewesen. Ich steckte mir eine Zigarette an, während sie immer noch von dem Scheck erzählte und glaubte, ich wollte den Preis hochschrauben.
    »Jetzt hören Sie mir mal zu«, unterbrach ich sie. »Sie schreiben weder einen Scheck aus, noch unternehmen Sie sonst etwas. Sie bleiben zu Hause und machen die Tür nicht auf, bis ich komme. Und ich rufe vorher an.«
    »Harder, ich bitte Sie …«
    »Ich sitze inzwischen so tief in der Scheiße wegen dieser Geschichte, für mich gibt es nur noch einen Weg, um da rauszukommen. Und das ist, die Wahrheit rauszufinden. So ein Witz, was? Die Wahrheit. Die Wahrheit über Miriam und Malzan und Myslisch. Und über Sie. Und vielleicht sogar die über mich. Und bis dahin bleiben Sie auf Ihrem Récamiere sitzen und warten auf meinen Anruf oder darauf, daß ich am Gartentor klingele. Ich heiße Harder, Sie wissen ja. Und mich gibt es auch nur einmal.«
    Ich legte auf, bevor sie mir noch mehr Lügen erzählen konnte, und saß nur da und trank das kalorienarme Cola Light und rauchte Zigaretten und hörte den Junkies zu und den Transis und den Pudeln und der Elektronikindustrie und der unselbstständigen politischen Einheit Westberlin an einem Freitagnachmittag im November und wartete auf Jade Beinstein und auf das, was er mir auftischte. An so einem Nachmittag wirst du mal krepieren, dachte ich, in so einem Appartement, während sie über dir die Hitparade hören und nebenan ficken und unter dir jammern, daß an allem die SPD schuld ist, und Polizeisirenen heulen und der Himmel sich verfinstert, aber nicht wegen dir, denn die Sirenen heulen, weil keiner sie mehr abstellen kann, und der Himmel verfinstert sich, weil es Abend wird. Aber es würde noch ein netter Tod sein verglichen mit dem, den Nuchali gehabt hatte.
     
    »Tut mir wahnsinnig leid, Alter«, sagte Jade dann, »etwas Kleineres konnte meine Connection auf die Schnelle auch nicht auftreiben.«
    Der Apparat war halb so groß wie meine Gitanes-Schachtel, das Band hatte die Größe eines Fünfmarkstücks. Firmenzeichen und Seriennummer waren sorgfältig entfernt worden. Heiße Ware. Ich legte das Band ein und machte eine Probeaufnahme, mit dem Gerät in der Jackentasche. Die Qualität war überraschend gut. Japanisch. Ein winziges rotes Signal bedeutete, daß das Gerät aufnahm. Und das angeblich zwei Stunden. Jade hatte sogar ein zweites Band. Vier Stunden Aufnahme, das war eine Menge Holz. Falls jemand den Mund aufmachte.
    »Bißchen groß ist es ja schon.«
    »Morgen könnte ich etwas Handlicheres auftreiben.«
    »Bis morgen kann ich nicht warten.«
    »Verstehe. Dafür bekommst du das Ding auch geliehen.«
    »Wie viel?«
    Er zuckte die Achseln. »Vergiß es, Harder. Ich hatte etwas Besseres versprochen, und dafür ist das hier umsonst.«
    »Die Firma dankt, Jade. Beachtlich, daß du überhaupt etwas aufgetrieben hast.«
    »Ein Versicherungsagent kennt eine Menge nützliche Leute.« Er sah mich an, und ein erwartungsvolles Lächeln glitt zögernd über sein angespanntes Gesicht. »Ich habe heute nichts vor, Harder. Wenn du mich für den Einsatz doch vielleicht brauchen kannst – ich bin dabei.«
    Ob ich ihn brauchen konnte? Wenn ich die Fremdenlegion und die Schweizergarde nicht haben konnte, dann tat es vielleicht auch ein Versicherungsagent mit dem Verfolgungswahnblues.

30
    Als die Rubens-Nutte, die auf John Wayne stand, die Tür nicht aufmachen wollte, half ich mit Stiefel und Ellenbogen nach. Betsy Glück hatte es noch nicht bis zum Telefon geschafft, als ich in der Küche war. Sie war allein. Freitag nach Feierabend, das Geschäft ging langsam los.
    »Möchte nur ein paar Takte mit dir reden, Betsy«, sagte ich und machte die Küchentür zu. »Nur ein paar Fragen

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