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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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tot.
    Ein riesiger Mond thronte über dem Märkischen Viertel, dessen Lichter in der kalten Nachtluft zu zittern schienen. Hunde heulten in Lübars. An den Baracken brannten Außenlichter, und auch das Tor war erleuchtet. Auf dem Parkplatz stand Malzans BMW und ein Ford Fiesta. Ich drückte auf eine Klingel, und während ich wartete, fielen mir die elektrischen Leitungen auf, die mit dem Maschendraht verbunden waren. Auch hier waren die Leute securitybewußt. Ich blickte nach links, zur Mauer, wo Jade unmittelbar vor der Sperre und dem Schild hielt, das das Ende des französischen Sektors anzeigte. Er ließ das Fernlicht einmal kurz aufleuchten. Dann ging eine Tür in der Baracke zur Rechten auf, und Albin der Zwerg erschien und nagelte mich mit einer Stablampe fest.
    »Bist du zu Fuß gekommen, Harder?«
    »Mit dem Bus, Albin.«
    Das Tor ging quietschend auf, und als ich an ihm vorbeiging, konnte ich nur mühsam das Bedürfnis unterdrücken, Mr. Horror hier und jetzt zu zeigen, was ich von anonymen Morddrohungen hielt.
    »Traurig, wenn man sich nicht mal ein Taxi leisten kann.«
    »Andererseits finde ich den Bus bequemer als einen Ford Fiesta.«
    Er spuckte einen Kaugummi scharf an meinem Knie vorbei und musterte dann mit einem freudlosen Ausdruck meine Erscheinung. Auch mit einem frischen Hemd hätte ich Albin nicht imponieren können, der selbst auf der ›Farm‹ einen dezent gestreiften Maßanzug trug.
    »Ab ins Büro«, flüsterte er, »und du gehst voran, Harder, und mach keine Bewegung, die ich mißverstehen könnte.«
    »Warum? Ist deine Plastikschlange mit Curare angereichert?«
    Er griff in die Jackentasche und ließ ein Schnappmesser blitzen. Ich schluckte und ging langsam dorthin, wo Licht aus einer offenen Tür fiel. Die Hunde heulten im Chor.
    Das Büro. »Willkommen auf der ›Farm für Freie Entfaltung«, sagte Michael Malzan, der hinter einem Schreibtisch stand, Zigarre im Mundwinkel, ein Glas in der Hand.
    »Entfaltung ist gut«, sagte ich mit einem Blick auf das enge Zimmer, das außer dem Schreibtisch und zwei Büro-Stühlen und einem Stahlschrank und einem Stadtplan von Berlin an der Schmalwand nur noch Platz für acht Bildschirme hatte, die in zwei Reihen über einem Schaltpult aufgebaut waren. Heizungsröhren liefen an der niedrigen Decke entlang und verbreiteten stickige Wärme. Der Fußboden war nackter Zement. Unter einem winzigen Fenster, das zum Gelände hinaussah, stand noch ein Regal mit Gläsern, Flaschen und einem Satz Videokassetten. So ähnlich sah es wahrscheinlich in terroristischen Kommandozentralen aus – und in unterirdischen Securitystäben.
    »Mit einer Villa können wir freilich nicht aufwarten«, sagte Malzan, »dafür mit einem Whisky, der zum Besten gehört, den du haben kannst. Aber erst die Formalitäten.«
    »Muß ich einen Aufnahmeantrag unterschreiben?«
    »Filz ihn«, sagte Malzan zu Albin.
    Albin war groß genug, daß seine langen knochigen Finger sogar meinen Hemdkragen abtasten konnten. Er ging gründlich vor, aber die Schachtel hatte ich in der Hand. Ich fingerte eine Zigarette heraus, machte sie aber noch nicht an. Seine Hand glitt in die Innentasche und brachte meinen Notizblock und das Foto zum Vorschein, das Nora mir gegeben hatte. Er reichte beides seinem Boß, den zunächst das Foto interessierte.
    »Weißt du, wer das aufgenommen hat, Harder?«
    »Ich nehme an, ihr Vater.«
    Er lachte. »Warum?«
    »Sie blickt mit ziemlich viel Vertrauen in die Kamera.«
    Albin war bei meinen Beinen angelangt.
    »Das hast du richtig gesehen«, sagte Malzan, »aber ich glaube nicht, daß sie ihrem Vater viel Vertrauen schenkt. Ich hab das Foto gemacht.«
    »Zieh die Stiefel aus«, knurrte Albin.
    Als ich sie ausgezogen hatte, steckte ich die Zigarette an. Malzan blätterte den Block durch.
    »Du kannst die Stiefel wieder anziehn, Harder.«
    Ich zog sie an, immer noch die Zigarettenschachtel in der Hand.
    »Was für ein Haarwasser nimmst du, Albin?«
    »Wolfsmilch«, flüsterte Albin, »das treibt die Weiber zum Wahnsinn, Harder.«
    »Dich aber auch. Oder wie soll ich deinen Anruf neulich verstehen?«
    »Ein reiner Freundschaftsdienst«, grinste er. »Er ist sauber, Chef.«
    »Du hast das Zigarettenpäckchen vergessen«, sagte ich und hielt es ihm hin. Albin schoß einen wütenden Blick ab, dann entblößte er seine Zähne, die viel zu lang für den kleinen Mann waren.
    »Du bist ein Komiker, Harder«, meinte er und baute sich dann vor den Monitoren auf.
    Malzan gab mir

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