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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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Selbsttötung – die, die mit ihrem Selbst nicht zurechtkommen, sollen auch die Chance haben, auszuscheiden aus diesem Selbst.«
    Trotz des Whiskys und der Heizungsröhren wurde mir immer kälter. 21 Uhr 05. Mußte ich das Band nicht umdrehen?
    »Damit wirst du Probleme bekommen«, sagte ich heiser. »Tote sind immer ein Problem.«
    »Wer sagt, das sie das hier machen? Hier bekommen meine Abonnenten – denn das wird, wie Theater und Oper, auf Abonnementsbasis laufen –, den Schlüssel zu sich selbst. Was sie damit machen, wenn sie zu Hausse sind, ist ihre Sache.«
    »Und der Kultursenator macht damit Berlin-Reklame?«
    »Der Kultursenator? Ich dachte an dich, Harder. Schreiben kannst du doch.«
    »Ich weiß nicht, ob ich Talent zur Werbung habe, Mike.«
    »Was heißt schon Werbung? Was mir vorschwebt, ist ein Forum für unsere Ideen. Wir haben da schon einen Verlag im Haus, wir haben auch eine Zeitschrift, eine von diesen lahmen Intellektuellenzeitschriften, hab ich kürzlich bei einem Kompensationsgeschäft bekommen. Ich geb dir die Zeitschrift, mach etwas draus, die einzig wahre Zeitschrift, und dann gehen wir in die Neuen Medien.«
    Ein Mann mit einer Vision. »Was heißt das – Neue Medien?«
    »Muß ich dir das erklären?«
    »Ich weiß, was Neue Medien sein sollen, Mike – aber wie soll das vor sich gehen?«
    »Berlin wird die ganz große Schaltzentrale für diese Medien werden, Harder. Und wir werden mitschalten. Radio, TV, Kabel, Bildschirmtext, Video – es gibt Möglichkeiten, von denen wir heute noch fast nichts ahnen.«
    »Möglich. Ich komme aus den Printmedien, weißt du, Druck und Papier, alter Praktiker – von der Pike auf …«
    »Und jetzt lernst du noch mal von der Pike auf, Harder.«
    »Aber was hat das alles mit deinem Pavillon zu tun?«
    »Wir brauchen schließlich etwas Startkapital«, sagte Michael Malzan, und damit war alles gesagt. Nur getan war noch längst nicht alles. Einen Augenblick schwiegen wir. Draußen heulten immer noch die Hunde, und der Wind pfiff über die Baracken und rauschte in den Bäumen.
    »Albin macht die Hunde wieder verrückt«, sagte Malzan. »Sie wittern ihn kilometerweit in solchen Nächten und jaulen und jammern, als wäre er ihr Leitwolf.«
    Er warf einen Blick auf die Bildschirme, stand auf, drückte eine Taste, Albin kam ins Bild, Albin im Schlangenraum, er verfütterte noch ein paar Mäusebabies. Malzan schaltete Albin weg, dann beobachteten wir gemeinsam, wie ein Auto vorfuhr. Der Wagen kam mir bekannt vor. Jades Volvo. Malzan schaltete den Apparat aus.
    »Deine Verstärkung«, sagte er mit einem Lächeln, das mir nicht gefiel.
    »Große Sorgen scheint sie dir ja nicht zu bereiten.«
    »Aber Harder, warum denn? Du gehörst doch jetzt zu uns.«
    Er blieb stehen, und ich saß. Auch etwas, das mir nicht gefiel. Aber der Frost war schlimmer. Und gegen ihn gab es nur ein Mittel.
    »Ich bin interessiert«, sagte ich. »Muß mir das natürlich noch mal durch den Kopf gehen lassen.«
    »Was das Finanzielle betrifft, du bekommst, was du brauchst. So halten wir es alle.«
    »Du meinst, ich muß mich jetzt schon festlegen?«
    »Du solltest jetzt schon anfangen, Harder.«
    »Hier?«
    »Wo sonst? Und am Anfang steht bei uns der Ritus.«
    »Welcher Ritus?«
    »Der Schlangenritus natürlich. Du hast ja den Kultraum schon gesehen. Im Augenblick bereitet Shiva alles für die Zeremonie vor.«
    Er schaltete den Kultraum ein, und ich sah ein Mädchen in einem langen weißen Kleid, das Kerzen anzündete. Es konnte das Mädchen von gestern Abend sein.
    »Welche Zeremonie, Mike?«
    Malzan schaltete den Kultraum weg. »Der Kandidat erweist der Schlange seine Reverenz. Er verneigt sich symbolisch vor der Königskobra, und wenn sie ihn berührt hat, gehört er zu uns.«
    »Vor der, die keine Giftzähne mehr hat?«
    Er lächelte. »Vor Indra würde selbst Shiva noch nicht tanzen.«
    »Wenn das alles ist«, sagte ich. »Ich habe nur ein Problem, Mike. Dieser Betriebsunfall gestern Nacht, das Thai-Mädchen.«
    »Vergiß das Mädchen, Harder. Das ist alles Vergangenheit. Du fängst jetzt ein neues Leben an.«
    »Gleiswechsel, vielleicht. Wie dem auch sei – ich hätte etwas dagegen, daß ihr Killer frei ausgeht.«
    »Du forderst also Gerechtigkeit?«
    »Ich würde mich schon mit Rache zufriedengeben.«
    Er drehte an dem Ring an seinem kleinen Finger, als ob der ihm die Antwort gäbe.
    »Da siehst du, Harder, welche Mittel wir in die Hand bekommen können, wenn wir unser Blatt

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