Das Schlangenmaul
März ausgebucht. Und meine Hauptarbeit liegt schließlich und endlich auf anderen Gebieten.«
»Klar«, sagte ich grinsend und fingerte eine Zigarette aus der Schachtel mit dem Aufnahmegerät, »du mußt dich ja zum Beispiel um das Kamasutra kümmern.«
»Das Kamasutra? Ich weiß, du erholst dich bei diesen Sexorgien …«
»Ich meinte den Puff, Malzan, nicht das Buch.«
Er klickte mit den Zähnen, und sein Blick gefror. »Was genau meinst du damit, Harder?«
»Nach meinem Informationsstand nimmst du – um es mal vorsichtig zu formulieren – gewisse Interessen im Kamasutra wahr.«
»Allmählich sehe ich, wie du dich in deinem Beruf in die Scheiße geritten hast. Vor Gericht könntest du solche Behauptungen nur schwer beweisen.«
»Das mag sein«, sagte ich und steckte die Zigarette an. »Eine meiner Informantinnen ist ja auch inzwischen tot.«
Die Furchen auf seiner Stirn vertieften sich, breite Rillen, in denen der Schweiß glitzerte. »Willst du mir einen Mord anhängen?«
»Wer hat von Mord gesprochen? Es war ein Betriebsunfall.«
»Du bewegst dich auf ziemlich dünnem Eis, Harder.«
»Das tue ich mein ganzes Leben. Außerdem will ich dir gar nichts anhängen, Mike. Im Gegenteil, ich bin fasziniert. Meine Güte, was für ein Stoff – wenn man nur drüber schreiben könnte.«
»An welchen Stoff denkst du?«
Ich breitete die Hände aus. »Farm für Freie Entfaltung, Magic Air & Transport, die Ahimsa-Story, Schlangenkult in Lübars, ein Mann macht sein Glück, und dann noch die wundersame Wandlung von Miriam Schäfer-Scheunemann in Shiva, die Schlangentänzerin – alles unter dem Signum der Königskobra mit dem Schlangenmaul im Schlangenmaul, und angesiedelt in Berlin, der Stadt der vier großen Ks: mit solchen Serien wird Auflage gemacht, Mike.«
Er dachte einen Augenblick darüber nach, und dann konnte ich wieder sehen, wie das Lächeln sein Gesicht verzauberte. Ich war doch auf dem richtigen Weg.
»Wie viel bekommst du für eine Serie, Harder?«
»Das hängt davon ab, wer sie druckt. Zwanzig, dreißig Riesen kann man da schon ziehen – wenn man meinen Namen hat.«
»Zwanzig, dreißig Riesen? Das sind doch nur Groschen, Harder, verglichen mit dem richtigen Geld.«
Er warf einen Blick auf die Bildschirme und setzte dann eine von seinen Zigarren in Brand.
»Aber diese Serie wirst du nie schreiben«, sagte er dann und nahm wieder hinter dem Schreibtisch Platz, Stiefel auf der Kante.
»Hatte ich auch nicht vor«, sagte ich. »Ich habe jetzt ja einen anderen Job.«
»Und den hast du auch nicht mehr. Du hast doch gehört, was deine Auftraggeberin gesagt hat. Die Sache ist erledigt. Du bist arbeitslos, Harder. Du suchst einen Job.«
»Aber nur einen, bei dem ich mich verbessern kann.«
»Vielleicht kann ich dich in meinem Team gebrauchen.«
»Meinst du wirklich, ich käme mit den großen Ks klar?«
»Wenn du überleben willst, bleibt dir gar nichts andres übrig.«
»Du meinst, entweder ich nehme den Job, oder ich komme hier nicht mehr lebend raus?«
Er grinste, nahm einen Schluck Whisky und blies etwas Rauch über den Schreibtisch.
»Ich drohe nicht, Harder. Ich bin ein Vermittler. Ich mache Angebote. Ich bringe Dinge in Bewegung – und Menschen. Nimm diesen Club Kamasutra. Ein öder Puff war das wie tausend andere auch. Und heute? Heute ist das Kamasutra ein Recreation Center, vom KKK-Ausschuß für forderungswürdig erklärt. So laufen die Dinge, Harder, wenn man sie in die gewünschte Richtung bewegt. Die Frage ist doch, was mach ich mit dem ungeheuren Potential an Korrumpierbarkeit, das es gibt. Die einen gehn hin und kaufen einen Minister oder lancieren sich im Show-Geschäft oder arbeiten für Moskau – geschenkt. Ich als Außenseiter muß radikaler vorgehen, ich komme von weiter her, Minister mag ich nicht, ich kann nicht singen, und Moskau ist mir viel zu kalt. Weißt du, wie ich den Laden hier nennen werde, wenn er nach meinen Plänen umgebaut worden ist?«
»Laß mich raten. Corruption Center?«
»Ich setze lieber auf die Phantasie, Harder. Pavillon der Lüste, was hältst du davon?«
»Und das in Lübars, fünfzig Meter vor der Mauer?«
»Gerade deswegen.«
»Ich muß zugeben, klingt nach einer ganz neuen Erfahrung.«
»Und genau darum soll es auch gehen. Um Erfahrung soll es den Besuchern dieses Pavillons gehen, um Selbsterfahrung. Um Selbsterfahrung, um Selbsterniedrigung, um Selbstbezichtigung, um Selbstmitleid, um Selbstverwirklichung, und manchmal sogar um
Weitere Kostenlose Bücher