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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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geduldig ausspielen. Und wenn wir von den Schlangen lernen, wie man geduldig lauert und dann seine Beute mit einem einzigen tödlichen Biß erlegt.«
    »Heißt das, du gibst mir recht?«
    »Ich spreche jetzt rein hypothetisch, schließlich kenne ich dieses Mädchen nicht. Ein Mann, der in sexueller Raserei eine Frau umbringt, ist in meinen Augen kein Mörder. Er ist genauso ein Opfer wie sein Opfer. Im Pavillon der Lüste könnten beide Opfer mit dem Leben davonkommen, ohne auf diese existentielle Erfahrung verzichten zu müssen. Mit Schlangen läßt sich da viel machen.«
    »Das klingt attraktiv«, sagte ich, »und zugleich sehr vage. Ich hab ein ganz konkretes Problem. Ich vermute nämlich, daß du den Mörder kennst.«
    »Welchen Mörder?«
    »Den Killer des Mädchens.«
    »Aber Harder«, sagte Malzan, »du hast doch vorhin selbst zu Betsy gesagt, daß wir alle sie umgebracht haben. Und jetzt entschuldige mich, ich muß die Zeremonie vorbereiten. Wir lassen dich aber nicht allein, Harder. Von jetzt an wirst du nie mehr allein sein.«
    Die Tür ging auf und Jade Beinstein betrat das Büro, eine Pistole in der Hand, die auf mich gerichtet war.

34
    »Tut mir leid, Alter«, sagte Jade.
    Malzan hatte das Büro verlassen. Ich stand mit dem Rücken zum Schreibtisch, die Hände locker an der Hose.
    »Was soll dir denn leid tun?«
    »Nun ja, unterwegs in Sachen Violence war ich noch nie. Aber du hast ja gehört, was Mike gesagt hat.«
    »Ich war so erfreut, dich zu sehen, Jade, daß ich gar nicht hingehört hab.«
    »Versuch keine Linke, Alter. Ich kann mit dem Ding umgehen.«
    Er hob die Knarre einen Augenblick hoch, und ich rutschte drei Millimeter in Richtung Videozentrale. Vielleicht waren es auch dreieinhalb.
    »Was ist es denn für eine, Jade?«
    »Nichts Besonderes. Eine Walther 7,65. Aber auf die Entfernung, Alter – ich würde kein Risiko eingehen. Nachher ist ein Knie kaputt, oder ein Ohr ist weg.«
    Ich war schon wieder einen Zentimeter näher da, wo ich hinwollte.
    »In diesem Fall würde ich sagen, die Linke hast du gemacht, Jade.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Man kann sich die Jobs nicht immer aussuchen, das solltest du doch wissen.«
    »Ich hab immer gesagt, es gibt Jobs, auf die man von vornherein verzichten sollte. Ich meine, wenn man sich morgens noch im Spiegel betrachten können will.«
    Merkwürdig, was eine Knarre bewirkt. Jade war von Natur ein mißtrauischer Hund, aber jetzt stand er seelenruhig da und sah zu, wie ich schon eine halbe Erdumdrehung weiterrückte.
    »So mies kann der Job doch nicht sein, wenn du auch bei uns mitmachst«, sagte er.
    »Wer sagt das denn?«
    »Wenn jetzt die Zeremonie vorbereitet wird …«
    »Hast du das auch gemacht, Jade?«
    »Und ich sag dir, Alter, da geht dir ein Schauder ab, das ist direkte Verbindung zum Karma.«
    Ich lachte. Wenn man lacht, ist es ganz natürlich, daß man sich bewegt.
    »Aber Jade, seit wann fällst du denn auf so einen Quatsch rein?«
    Mein Lachen machte ihn direkt verlegen. »Tja, es klingt verrückt, aber du wirst es selbst erleben.«
    »Meinst du?«
    »Was heißt das?«
    »Guck doch mal auf den Bildschirm, Jade. Video ist eine feine Sache.«
    Ein Mann, mit dem man regelmäßig einen trinken geht, wird nie mehr so mißtrauisch sein wie vorher.
    »Was gibt es denn da zu sehen?«
    »Meine Verstärkung, Jade. Und euer Ende.«
    Er machte zwei Schritte, die er brauchte, um den Bildschirm, auf den ich gebannt starrte, zu sehen – und die ich für meine Linke brauchte. Meine Rechte hatte nie viel getaugt, aber meine Linke hatte es immer in sich gehabt, und ich hatte sie noch weitertrainiert, als ich längst zu langsam für alles andere geworden war. Die Linke schoß pfeilgerade heraus, als Jade gerade begriffen hatte, daß es auf dem Bildschirm nur Grieß zu sehen gab und die Mauer und das Schild VOUS QUITTEZ MAINTENANT LE SECTEUR FRANÇAIS, und sie riß seinen Kopf weg, bevor er die Knarre auf mich richten konnte, und dann war ich auch schon nahe an ihm dran und feuerte noch einmal ab, links-rechts-links, und dann sackte er zusammen, und ich riß ihm die Knarre weg und hielt sie an seine Schläfe, während er auf dem Zementboden zusammenklappte, mit zerbrochenem Nasenbein und geschlossenem Auge, und stöhnte. Stöhn nur, mein Junge. Eine Knarre zu haben, reicht noch lange nicht, um in der Oberliga mitzumischen.
    »Was sagst du da, Jade?«
    »Mißverständnis … Irrtum … Dienst …«
    »Du müßtest deine Bücher doch im Kopf haben, Jade.

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