Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schlangennest

Das Schlangennest

Titel: Das Schlangennest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Alexander
Vom Netzwerk:
nur im Schrittempo vorwärts.
    Maud Willis war vor vierzehn Jahren wegen Mordes an ihrem Ehemann zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt worden und zwei Jahre später einem Herzleiden erlegen. Bis zuletzt hatte die Frau ihre Unschuld beteuert und sogar Richter Hammond als Zeugen dafür angeführt. Sie hatte behauptet, ihm in der Mordnacht begegnet zu sein, doch Sir Richard hatte es unter Eid abgestritten. Man hatte ihm geglaubt. Als Richter war er über jeden Zweifel erhaben gewesen.
    Noch während Mauds Untersuchungshaft war ihre Tochter Jenny an Leukämie gestorben. Am Tag ihrer Verurteilung hatte Maud Sir Richard bittere Rache geschworen und so war es kein Wunder gewesen, daß man sie in der Nacht nach ihrem Tod in Hammond Hall gesehen haben wollte. Als Gesichtslose Frau irrte sie seitdem angeblich durch das alte Gemäuer, laut ihre Unschuld beteuernd und voller Anklagen gegen Sir Richard.
    Daphne gestand sich ein, daß sie ihrem verstorbenen Schwager ohne weiteres zutraute, damals ein falsches Zeugnis abgelegt zu haben. Nachzuweisen war es ihm jedoch niemals gewesen, wenngleich vor einigen Jahren eine Frau behauptet hatte, die Geliebte Sir Richards gewesen zu sein. Sie lebte in derselben Gegend, in der Maud Willis in jener Nacht den Richter gesehen haben wollte. Einige Tage später hatte sie jedoch behauptet, sie hätte sich nur wichtig machen wollen. Kurz darauf war sie bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
    Die junge Frau blickte auf ihre Armbanduhr. Sie steckten i mmer noch mitten in der Stadt. "Können Sie nicht versuchen, den Verkehr zu umgehen?" fragte sie ungeduldig den Fahrer.
    "Wie denn, Madam?" Um die Lippen des Mannes zuckte ein ironisches Lächeln. "Soll ich meinem Taxi vielleicht Flügel a nschrauben?"
    "Keine schlechte Idee, Monsieur", bemerkte Daphne und lehnte sich wieder zurück.
    Endlich hatten sie Paris hinter sich gelassen und befanden sich auf der Straße nach Orly. Daphne schaute aus dem Wagenfenster. Es regnete. Der Himmel wirkte grau in grau. Das Wetter paßte zu ihrer Stimmung. Eine entsetzliche Angst preßte ihr Herz zusammen. Mit jeder Minute, die verging, nahm diese Angst zu. Sie spürte, daß sich Laura in großer Gefahr befand. Sie glaubte, ihre Schwester vor sich zu sehen. Was hätte sie darum gegeben, schon jetzt bei ihr zu sein.
    Plötzlich konnte sie das triste Grau des Himmels nicht mehr ertragen. Sie schloß erneut die Augen und dachte an Lauras Ki nder. Robert, Richards Sohn aus erster Ehe, war jetzt elf Jahre alt. Wie seine siebenjährige Schwester Joyce besaß er große dunkle Augen und schwarze Haare. Laura hatte niemals einen Unterschied zwischen den Kindern gemacht. Sie liebte Robert als sei er ihr eigener Sohn.
    "Mon Dieu!" schrie der Fahrer plötzlich auf. Im selben M oment wurde das Taxi auf der regennassen Straße von einem Lastwagen zur Seite gedrängt.
    Daphne prallte so heftig mit dem Kopf gegen die Scheibe, daß sie sofort das Bewußtsein verlor. Sie spürte nicht einmal mehr, wie der Wagen die Böschung hinterrutschte und sich überschlug.
     
    3.
    "Sie kommt zu sich."
    Daphne schlug die Augen auf. Sie blickte in fremde Gesichter, die sich besorgt und interessiert zugleich über sie beugten. "Wie fühlen Sie sich?" fragte ein älterer Mann. Gleich den anderen trug er einen weißen Kittel.
    Die junge Frau versuchte sich aufzurichten. Erst dabei wurde ihr bewußt, daß sie auf einem hohen, schmalen Bett lag. Aufstöhnend ließ sie den Kopf wieder auf das Kissen zurücksinken. Sekundenlang schien sich das Bett zu bewegen. Die Gesichter um sie herum verwandelten sich in bizarre Fratzen.
    "Sie müssen ganz ruhig liegenbleiben", sagte der Mann, der sie gefragt hatte, wie sie sich fühlte. "Sie haben eine mittelschwere Gehirnerschütterung." Er stellte sich als Dr. Manet vor und nannte den Namen des Krankenhauses, in das man sie gebracht hatte.
    "Eine Gehirnerschütterung?" wiederholte Daphne zweifelnd. "Ich... Laura!" Wieder wollte sie sich aufrichten und wieder schaffte sie es nicht. "Ich muß zu Laura", stöhnte sie. "Ich muß das Flugzeug nach England erreichen. Meine Schwester braucht mich. Sie..."
    "Tut mir leid, Mademoiselle Baker, aber vorläufig sind Sie nicht reisefähig", sagte Dr. Manet. "Auch mit einer mittelschweren Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen. Sie werden mindestens eine Woche in der Klinik bleiben müssen, dann können wir we itersehen."
    "Das geht nicht." Die junge Frau versuchte, gegen das Schwi ndelgefühl anzukämpfen. Sie mußte zu

Weitere Kostenlose Bücher