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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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am Tag als chiffrierten Datenstrom weiterleiten. Kein Detektor könnte sie orten.
    »Okay. Die tragen wir noch oft genug. Und jetzt gehen wir in die Stadt, ja?«
    Wir zogen uns wieder unsere eigenen Sachen an und gingen auf den Korridor.
    Dort begegneten wir vier Jungen in unserem Alter. Sie mussten gerade aus der Sporthalle gekommen sein, da sie Trainingsanzüge trugen, ihre Taschen über die Schulter geworfen hatten und ihre Haare noch nass vom Duschen waren.
    »Neulinge!«, freute sich einer. Es war sofort zu sehen, dass es der Anführer war. Er war größer und stärker als seine Freunde. »Ihr wohnt also auch hier?«
    »Ja!« Lion schob mich plötzlich zur Seite und ging voran. »Hier.«
    »Na dann, ihr müsst euch noch anmelden«, meinte der Junge. »Ist das klar?«
    »Eine Schlägerei?«, fragte Lion ruhig.
    Der Junge nickte.
    »Ich bin dabei!«, stimmte Lion zu.
    Ich bekam einen Schreck. Ich mag keine Schlägereien. Ich hatte mich bisher vielleicht fünfmal geschlagen, na ja, wenn man meine ganz frühe Kindheit nicht mitzählt.
    Was für eine dumme Angewohnheit! Bevor man Freundschaft schließt, muss man sich erst einmal schlagen!
    »Fangen wir an!«, forderte währenddessen der Junge. Er warf seine Tasche auf den Boden und schritt auf Lion zu.
    Irgendetwas war geschehen. Es sah aus, als ob Lion auf der Stelle leicht nach oben gesprungen und wieder erstarrt wäre.
    Sein Gegner, einen Kopf größer als er, fiel auf den Boden und drückte beide Handflächen gegen sein Gesicht.
    Aus der zerschlagenen Nase floss Blut. Der Junge jaulte leise wie ein beleidigter Welpe.
    »Will noch jemand?«, fragte Lion. Seine Stimme hatte sich verändert, wirkte kalt und bösartig. »Dem Zweiten breche ich den Kiefer!«
    Die Jungs erstarrten. Auf Lion schauten sie nicht etwa mit Furcht, sondern mit Unverständnis.
    »Bringt ihn zum Sanitäter. Du«, Lion zeigte auf einen der Jungs, »bist dafür verantwortlich.«
    Weitere Worte wurden nicht gewechselt. Zu dritt fassten sie ihren Freund, halfen ihm beim Aufstehen und schleppten ihn durch den Korridor. Das Blut tropfte in dicken Tropfen aus seinem Gesicht, über den Teppich zog sich eine Spur dunkler Flecken.
    »Sag mal, bist du verrückt geworden?«, zischte ich. Ich erinnerte mich nämlich daran, dass mich Lion bei unserem ersten Treffen gefragt hatte, ob wir uns schlagen würden.
    Er hätte mich doch nicht etwa so zusammengeschlagen!
    Lion wandte sich um. Sein Gesicht war betrübt, zeigte aber kein Schuldbewusstsein.
    »Das war notwendig, Tikkirej, lass uns gehen!«
    Ich fing keinen Streit mit ihm an. Wir gingen schweigend durch den Korridor nach unten, am Wachmann in seiner Bude vorbei und traten auf den Schulhof.
    »Du bist völlig übergeschnappt!«, sagte ich voller Überzeugung und stieß Lion in den Rücken. »Warum hast du das gemacht?«
    Lion lief schnell weiter, wedelte mit den Händen und antwortete erst, als wir außerhalb des Geländes waren. Dann murmelte er:
    »Das war notwendig.«
    »Aber warum denn?«, schrie ich. »Ja, wir hätten uns geschlagen, aber warum denn so...«
    »Ich habe mich an meine Träume erinnert«, schnitt mir Lion das Wort ab.
    »Was haben die denn damit zu tun?«
    »An die Träume«, wiederholte Lion. »Von der Grundausbildung. Wie ich mich genauso... ›anmelden‹ musste. Glaub nicht, dass es ihnen um eine normale Schlägerei ging! Sie wollten uns zusammengeschlagen. Aber so habe ich sie aus dem Konzept gebracht. Jetzt werden sie uns in Ruhe lassen.«
    »Du hast trotzdem kein Recht dazu! Vielleicht haben sie auch irgendetwas geträumt?«
    »Dasselbe«, bekräftigte Lion. »Das genau braucht Inej, verstehst du? Um Kampfgeist anzuerziehen. Wirkliche, abgehärtete Kämpfer. Und genau das geschah in allen Heldenserien, erinnerst du dich? Wenn ein junger Mann zur Armee kommt, wird er erst einmal zusammengeschlagen und dann schließt er mit allen Freundschaft.«
    »Wir sind nicht in der Armee, wir sind im College! Denkst du, jetzt werden wir noch mit irgendjemandem Freundschaft schließen können?«, fragte ich ironisch. »Alle werden sich vor dir fürchten!«
    »Kann gut sein«, gab Lion zu. »Aber anderenfalls würden wir jetzt im Krankenhaus liegen. Nicht nur dieser Kerl hier!«
    Er hatte letztendlich Recht. Denn Lion erinnerte sich an seine Träume und ahnte, wie sich die anderen Jungs benehmen würden. Aber wenn ich bedenke, wie er mit einem Schlag den kräftigen Kerl umgelegt hatte, war mir schon mulmig zumute.
    »Wo hast du gelernt, so

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