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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Lappen wegzuwischen. Ich erblickte Lion, nackt bis zur Gürtellinie, der sehr ärgerlich schien, und mir war klar, dass dieser Lappen bis eben noch sein Hemd gewesen war.
    »Daran hatten wir nicht gedacht«, sagte Natascha und bewegte sich schnell Richtung Korridor, wobei sie gekonnt den Lappen schwang. »Zieht eure Schuhe aus, wir gehen barfuß.«
    Durch solche Kleinigkeiten platzen oft die raffiniertesten Pläne: Wenn uns unsere Fußspuren nicht aufgefallen wären, hätte uns auch nicht gerettet, dass die Bewegungsmelder ausgeschaltet waren. Unsere Spuren hätten uns verraten, ganz wie in den mittelalterlichen Überlieferungen über Grenzen und Spione. Diese Gefahr schien uns nicht zu drohen: Natascha blieb wachsam.
    Wir liefen an einigen funktionell eingerichteten Zimmern vorbei. In einem befanden sich ein Rednerpult und einige große Bildschirme, in einem anderen Sessel und Sofa zum Ausruhen für die Wachleute. Danach erschien die Möblierung reicher, wenn auch nicht übertrieben. So besichtigten wir kleine Zimmer mit Betten und Schränken, ein Wohnzimmer mit Fernsehapparat und Sitzgarnitur. Die Küche dagegen war riesig und mit einer Menge verschiedener Haushaltsgeräte ausgerüstet. Dort standen Mikrowellen (im Ganzen zwei) und normale Herdplatten, Wärmeschränke, Fritteusen, Küchenmaschinen und eine Menge Geräte, deren Namen ich nicht einmal kannte.
    »Das alles sind Zimmer des Personals«, erklärte Natascha, nachdem sie sich ein Bild gemacht hatte. »In der Villa werden ab und zu große Empfänge abgehalten, Dutzende von Leuten treffen sich hier... Wir müssen dorthin!«
    Aus der Küche kamen wir über einen breiten Flur mit zweiflügligen Türen ins Esszimmer.
    Hier sah es nun wirklich luxuriös aus!
    Ein riesiger ovaler Tisch aus hellem, poliertem Holz, Stühle mit hohen, geschnitzten Lehnen, an den Wänden originale, mit Farben gemalte Bilder. Durch die Fenster sah man den Park sowie den Springbrunnen, in dem wir uns versteckt hatten. Seltsamerweise wirkte das alles aus dem Gebäude heraus noch viel schöner als in Wirklichkeit.
    »Wohin jetzt?«, wollte Lion wissen. Er schaute ganz andächtig – rundherum war es allzu weiträumig, hell und edel.
    »Wir gehen nach oben«, entschied Natascha, »dort sind noch ein großer Dinnersaal«, Lion erschauerte bei diesen Worten, »und die Gästezimmer.«
    Aus dem Esszimmer gingen wir zu einer breiten Treppe mit einem schönen Teppich, der mit goldenen Metallstäben an den Stufen befestigt war. Wir stiegen in den ersten Stock und suchten die Zimmer von Bermann und seiner Tochter. Es war nicht einfach, weil es eine Unmasse von Schlafzimmern gab und die Türen verschlossen waren. Ich dachte gerade darüber nach, dass wir einen Dietrich brauchen könnten, als sich die Schlange am Gürtel bewegte und mir in den Ärmel kroch.
    Richtig, wozu ein Dietrich, wenn wir über ein universelles Gerät der Phagen verfügten?
    Pro Schloss brauchte die Schlange nicht länger als eine Sekunde, offensichtlich war die Aufgabe nicht schwer. Intuitiv wusste ich, dass das Schlangenschwert zuerst die Struktur des Schlosses scannte und die Restpotenziale in den elektronischen Schaltkreisen bestimmte und danach das Schloss nicht mit einer Ziffernfolge öffnete, sondern den genauen Code wählte.
    Die ersten sechs Schlafzimmer erwiesen sich als unbewohnt, das siebte auf den ersten Blick ebenfalls. Aber Natascha, die auf alle Fälle in die Bäder schaute, fand dort eine Zahnbürste, einen Rasierapparat, Eau de Cologne und allerlei Herrenkosmetika. Erst da bemerkten wir, dass das untadelig aufgeräumte Zimmer bewohnt war: Im Schrank hingen einige Anzüge, ein Dutzend Hemden und Krawatten, neben dem Bett lag ein Büchlein des Krimischriftstellers Hiroshi Moto: »Der Raumanzug mit dem verspiegelten Helm«. Das Buch war interessant, ich hatte es selbst gelesen, aber eigentlich war es ein Kinderbuch.
    Die nächsten zwei Schlafräume waren leer, aber im neunten, ausgehend von der Kosmetik im Bad, wohnte Bermanns Tochter. Auf ihrem Bett lag ebenfalls ein Buch, aber ein viel ernsteres als beim Vater: »Die Taktik der Unternehmensentwicklung unter den Bedingungen politischer Instabilität«.
    »Sie lernt ein Unternehmen zu führen«, meinte Lion höhnisch. »Ja – ja... Was sind wir doch für Optimisten.«
    Natascha und ich blickten Lion unabhängig voneinander zornig an.
    »Das ist mir nur so herausgerutscht... Ähm, wegen der Nerven... Entschuldigt.«
    »Benutz deinen Kopf, ehe du etwas sagst«,

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