Das Schlangental - Neal Carey 3
hawaiianisch bedrucktes Hemd an, das selbst für ihn zu groß war. Neal hängte sein Jackett über die Rückenlehne seines Stuhles, setzte seine Sonnenbrille auf und betrachtete die schönen Leute, die rund um den Pool Sonnenbäder nahmen.
»Du siehst gut aus«, sagte er zu Levine. »Hast abgenommen.«
»Ich hab’ trainiert. Laufen, Gewichte, Squash … die ganze Nummer. War nicht mehr so gut in Form, seit ich bei der Army war.«
»Bestens.«
»Und du, Neal, bist du in Form?«
Neal dachte an die endlosen Märsche die steilen Berghänge rauf und runter, mit Eimern voller Wasser und Bündeln von Feuerholz.
»Ich bin in Form.«
»Nein, ich meine: bist du in Form? Einsatzbereit?«
»Yeah, ich glaub schon.«
Ed sah Graham an. Graham nickte.
»Ich weiß nicht«, murmelte Ed.
Ein Kellner kam zu ihnen herüber. Graham bestellte ein Bier, Ed einen Eistee, Neal einen Eiskaffee. Sie hingen stumm ihren Gedanken nach, bis die Getränke kamen.
»Wir wollten, daß du Anne Kelley kennenlernst und ihre Geschichte hörst, bevor du dich auf die Sache einläßt.«
»Wir?«
»Graham und ich … und der Boß.«
»Was ist los, Ed?«
Der Kellner kehrte zurück, er brachte ein großes Tablett mit.
»Ich hoffe, es macht euch nichts aus: Ich hab’ für uns bestellt.«
Der Kellner verabreichte Graham ein Pastrami-Sandwich, Neal einen Cheeseburger mit Fritten und Levine einen Salat.
»Salat?« fragte Neal.
»Und?«
»Nichts.«
Ed zeigte auf Neals Teller. »Wir sind hier nicht im Burger-Joint«, sagte er in Anspielung auf den kleinen Laden, in dem Neal in New York immer herumgehangen hatte.
»Aber wo ist man das schon?« fragte Neal.
»Genau. Aber wenn du lieber Reis oder so hättest…«
Neal schüttelte den Kopf. Er war zu beschäftigt mit Essen, um zu sprechen. Sie waren tatsächlich nicht im Burger-Joint, aber trotzdem war es gottverdammt wundervoll – Essen, das man in den Händen halten konnte.
Levine machte sich mit dem grimmigen Vorsatz, ihn zu genießen, über seinen Salat her. Er brauchte ungefähr zehn Sekunden dafür, dann wischte er sich den Mund ab und versuchte zu glauben, daß er satt war.
»Also, Neal«, sagte er.
»Also, Ed.«
»Die Sache ist die. McCall ist ein Anhänger der True Christian Identity Church geworden. C. Wesley Carter hat einige gemeinsame Interessen mit Gruppierungen wie den Posse Comitatus, dem Ku-Klux-Klan und den Nazis«, sagte Levine und starrte gierig auf Neals Fritten. »Unsere Kontakte zum FBI haben ergeben, daß diese Gruppen dabei sind, sich zusammenzuschließen. Sie versuchen, ein landesweites Netzwerk aufzubauen. Die Idee dahinter ist, an der Oberfläche alles unverändert zu lassen, im Untergrund aber terroristische Zellen zu bilden, die lose unter dem Dach weißen arischen Widerstandes zusammenarbeiten. Was ist das?«
»Ein Radieschen.«
»Großer Gott.«
»Kannst du mir bitte mal den Essig geben?« bat Neal Ed.
Ed gab ihm die Flasche, Neal kippte Essig über seine Fritten.
»Wie auch immer«, fuhr Ed fort. »Diese Idioten bilden also kleine Zellen, verschaffen einander Jobs, helfen flüchtigen Mitgliedern, sich zu verstecken … eben ein Untergrund-Netzwerk.«
»Und wenn Harley dahinein verschwindet, könnten wir ihn für immer aus den Augen verlieren«, fügte Graham hinzu.
»Deswegen müssen wir schnell handeln«, sagte Ed, »jetzt, wo wir wissen, wo er ist.«
Das sind ja interessante Neuigkeiten, dachte Neal. »Und wo ist er?« fragte er.
»Augenblick«, sagte Ed. »Machst du’s?«
Neal wollte ihn einfach noch ein bißchen zappeln lassen. Nur um seinen Protest gegen dieses Vorgehen deutlich zu machen – so zu tun, als würde man ihn entscheiden lassen, ob er den Job wollte, aber sich zu weigern, ihm zu sagen, worum es eigentlich ging, bis er zugesagt hatte. Ed beugte sich vor und stibitzte eine Fritte von Neals Teller.
»Was machen?« fragte Neal.
Ed sah Joe Graham an.
»Undercover gehen, mein Junge.«
Undercover. Das aufregendste, beängstigendste Wort der Welt. Die Flamme, die lockt und verbrennt.
»Wohin undercover?« fragte Neal.
Ed mampfte die Hälfte der Fritte und malte mit der anderen kleine Kreise in die Luft.
»Du weißt schon, da draußen.«
Da draußen, da draußen. Tja, Jungs, warum nicht? Ich war mein ganzes Leben lang da draußen.
Sechshundert Meilen weiter weg hallte ein Schrei über die mit Beifuß überwucherte Weite. Zuerst klang es wie ein verwundeter Kojote, aber Kojoten heulen tagsüber nicht. Es war der Schrei eines
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