Das Schlangental - Neal Carey 3
zur Tür. Er nahm zwei Hunderter – Auslagenvorschuß – aus seiner Brieftasche und ließ sie zu Boden fallen.
»Tut mir leid, Paul. Glauben Sie, daß wir Sie wieder finden können, wenn wir wollen?«
»Yes, Sir.«
»Können Sie irgendwohin, können Sie diesen Staat verlassen?«
»Ich hab’ eine Schwester in Arizona.«
»Fahren Sie zu ihr. Gleich morgen früh.«
»Yes, Sir.«
»Und denken Sie gar nicht erst daran, Harley zu warnen.«
»Zum Teufel mit ihm.«
Noch nicht, Paul. Erst wenn ich ihn gefunden habe. Neal verließ den Bungalow, er ging so schnell er konnte zu dem alten Chevrolet und fuhr in Richtung Filly Ranch.
Es war Morgen, das Neonschild über dem violetten Fertighaus war ausgeschaltet, aber Neal konnte sehen, was es darstellte: Die Karikatur eines Cowboys mit einem lasziven Grinsen, dem die Zunge aus dem Mund hing und der dabei war, eine vollbusige Lady mit langem Haar, langen Beinen und einem Pferdegeschirr zu »besteigen«.
Vier Wohnwagen standen auf dem Gelände, ein paar schrottreife Wagen waren aufgebockt, und ein großer Gastank schimmerte hinter dem flachen Haus silbern im Sonnenlicht. Neal Carey war noch nie auf einer Ranch gewesen, aber diese sah ganz bestimmt nicht aus wie eine, nicht mal wie eine im Fernsehen.
Er folgte den weiß angepinselten Steinen zur Eingangstür und klingelte.
Eine kleinwüchsige Frau mit roten Locken öffnete. Sie trug ein hochgeknöpftes Western-Shirt, eine mit Glanzstickern verzierte Jeansjacke und eine Jeans. Zueinander passende türkisfarbene Halskette und Armband, spitze Eidechsen-Cowboystiefel und das Lächeln einer professionellen Empfangsdame.
»Hi«, sagte sie. »Ich bin Bobby. Wie heißt du?«
»Ist das hier die Filly Ranch?« fragte Neal sie.
Sie bemerkte die Überraschung in seiner Stimme.
»Was hast du erwartet, Honey? Pferde?«
»Schon.«
Sie bedachte ihn mit einem »alle-Männer-sind-dummaber-manche-dümmer-als-andere«-Blick und sagte: »Hör gut zu: horse heißt Pferd, whore heißt Hure. Ein weibliches Pferd ist ein filly. Wir haben weibliche Huren hier. Verstanden?«
»Glaub’ schon.«
»Und, was soll’s sein?«
»Wieviel?«
»Schon wieder so’n Romantiker. Fünfzig Dollar der Ritt. Wenn sie Kunststücke machen sollen, kostet das extra. Wir haben ‘ne Karte. Außerdem eine Klimaanlage. Und Duschen, die ich in deinem Fall sehr empfehlen würde.«
»War ‘ne Weile unterwegs«, erklärte er.
»Sind wir das nicht alle?«
Er folgte ihr in einen Raum, den sie den »Pferch« nannte, und setzte sich auf das orange Vinyl eines billigen, niedrigen Sofas. Es war dunkel, die Decke hing tief. Eine kleine Bar an einer Wand. Zwei einarmige Banditen an der gegenüberliegenden Wand. Ein paar Pferdeposter klebten daneben. Lavalampen blubberten auf gläsernen Kaffeetischchen neben ein paar Pornomagazinen. Ein bierbäuchiger Cowboy mit langem schwarzem Haar, einem schwarzen Hut und Sonnenbrille saß in einem Sessel, die Füße auf einen Stuhl hochgelegt, einen Revolver im Schoß. Neal hielt ihn für den Aufseher.
»Ich ruf zur Aufstellung«, sagte Bobby. Sie drückte den Knopf einer Gegensprechanlage neben der Tür.
»Zur was?« fragte Neal.
»Aufstellung«, wiederholte sie und klang genauso gelangweilt, wie sie war, »heißt, daß wir die Füllen in den Pferch rufen, damit du dir eins aussuchen kannst.«
Neal riskierte es. »Habt ihr ein Mädchen namens Doreen?«
»Wenn du eins willst. Ich mein’, Honey, sie reagieren auf jeden Namen, der dir gefällt; bloß mit ›Mami‹ haben manche Schwierigkeiten.«
»Ich such’ eine echte Doreen.«
»Eine echte Doreen. Tja, wir haben sogar eine echte Doreen. Und wie soll sie angezogen sein? Die echte Doreen kommt im rosafarbenen Teddy, oder als Annie Oakley mit Revolver, Gürtel und Boots, oder als strenge Lehrerin, die dich mit dem Hickorystock zum Schweigen bringt, aber das kostet zwanzig extra.«
Neal zog seine Brieftasche heraus und gab ihr drei Zwanziger und einen Zehner.
»Tja-ja«, sagte Bobby.
Neal zuckte mit den Achseln.
Bobby schüttelte den Kopf und wandte sich an die Gegensprechanlage. »Doreen, wir haben hier einen schlimmen kleinen Cowboy, der nach der Schule noch ein bißchen bei der Lehrerin bleiben muß.«
Sie wandte sich wieder an Neal.
»Dauert keine Minute«, sagte sie. »Möchtest du was trinken, während du wartest? Der erste ist umsonst.«
»Scotch?«
»Kein Problem.«
Sie goß ihm ein, dann langte sie unter die Bar und gab ihm einen Schlüssel, ein
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