Das Schlangental - Neal Carey 3
mir durchaus«, sagte Neal.
»Ist mir noch nicht aufgefallen«, sagte der Mann. Er streckte die Hand aus. »Ich bin Steve Mills. Ich habe eine Ranch in der Nähe von Austin. Oder sie hat mich.«
Eine Ranch in der Nähe von Austin, dachte Neal. Das kam ihm irgendwie bekannt vor. »Ich heiße Neal Carey.«
»Kommen Sie rüber zum Truck. Ich hab’ ‘nen Erste-Hilfe-Kasten.«
Mills führte Neal hinüber zu einem alten Chevy-Pickup, öffnete die Beifahrertür, setzte Neal hinein. Dann holte er den Erste-Hilfe-Kasten, säuberte geschickt die Wunde an Neals Kopf, tupfte Desinfektions-Lösung darauf, verband ihn.
»Ich bin eine prima Florence Nightingale«, sagte er. »Draußen bei uns muß man ein bißchen von allem können – Medizin, Mechanik, Koch, Bauer, Cowboy und manchmal sogar Psychiater. Sie sind aus dem Osten, oder?«
Neal betrachtete den Mann zum erstenmal genauer. Er war groß, dünn, mit der leichten Rundung auf Schulterhöhe, die große Männer mit den Jahren annehmen, weil sie sich unter allem hindurchducken müssen. Er trug ein blau-geschecktes Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, ein Päckchen Zigaretten in der Brusttasche. Über seinen Cowboy-Boots, die alt, braun und abgelatscht waren, trug er Jeans.
Er hatte ein angenehmes Gesicht, das viel Kälte, Wind und Hitze durchgemacht hatte. Es war tiefbraun bis hinauf zu der verräterischen Linie auf der Stirn, an der man den Baseball-Käppi-Träger erkannte. Obwohl er vielleicht fünfundfünfzig war, war sein braunes Haar immer noch dicht, die dunkelbraunen Augen leuchteten lebendig. Ein Gesicht, das man augenblicklich mochte, ein Gesicht, das nichts zu verbergen hatte.
»Ich bin aus New York«, sagte Neal.
»City oder Staat?«
»City.«
Steve Mills kratzte sich an der Wange. »Ich hätte gedacht, da würden sie einen überfallen. Was treibt Sie hierher?«
Ich suche nach einem Mann, der auf einer Ranch in der Nähe von Austin arbeitet. »Ich reise gern«, sagte Neal.
»Na, Sie müssen es mir ja nicht erzählen«, sagte Steve.
Gut.
»Also, Neal Carey auf der Fahrt ins Blaue, warum schmeißen Sie nicht die Überreste ihrer persönlichen Besitztümer hinten auf meinen Pick-up, und ich nehm’ Sie mit nach Austin? Wenn Sie nirgendwohin wollen, dann liegt Austin immerhin in der Nähe. Und alle paar Tage fährt ein Bus durch.«
Neal dachte über seine Möglichkeiten nach und kam schnell zu dem Schluß, daß er keine anderen hatte.
»Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte er.
Steve stemmte Neals Matchsack auf den Truck.
»Ich fahr’ sowieso da hin. Hab’ nichts gegen Gesellschaft auf der Fahrt.«
»Augenblick noch«, sagte Neal. Er richtete sich auf, taumelte rüber zum Chevrolet, klappte den Kofferraum auf. Er riß die Polsterung im Kofferraumdeckel ab, griff darunter und zog einen Stapel Scheine hervor, mindestens noch fünfhundert Dollar Spesen.
»Vielleicht sind Sie doch nicht so blöd, wie ich dachte«, stellte Steve fest.
»Lassen Sie sich nicht täuschen«, entgegnete Neal. Er kam sich ziemlich blöd vor. Er war bei Doreen viel zu schnell vorgegangen. Und viel zu harsch. Er hätte die Antworten, die er brauchte, auch bekommen können, ohne sie zu beleidigen. Genauso wie er möglicherweise auch aus Paul Wallace die Wahrheit hätte herausbekommen können, ohne ihn zu schlagen. Er hatte Härte anstelle von Klugheit eingesetzt, und das war dumm gewesen. Und das ganze Geld herum zu zeigen, war einfach nur bescheuert gewesen. Er gab Doreen und ihrem revolvergeilen Cowboy-Freund weniger Schuld als sich selbst. Er hätte es besser wissen müssen.
Er stemmte sich wieder hoch in den Truck, und der Schmerz, den das verursachte, war beinahe befriedigend.
Steve stieg auf der anderen Seite ein und fuhr den Truck zurück auf die Straße. Der alte LKW ratterte, rumpelte und röhrte schließlich den Highway entlang.
Neal lehnte sich zurück und versuchte sich zu überlegen, was er als nächstes machen sollte.
Ich fahre Richtung Austin, dachte er, dem letzten bekannten Aufenthaltsort von Harley McCall. Ich weiß, daß McCall sich da mit einem Rancher eingelassen hat, jemandem, den er aus Kalifornien kannte. Das ist die Haben-Seite.
Auf der Soll-Seite steht, daß ich weder einen Wagen noch sonderlich viel Geld habe und daß Levine und Graham erwarten, daß ich in New York auftauche. Und sie werden nicht sehr begeistert sein, daß ich ihren Befehlen nicht Folge leiste. Immerhin bin ich den Wagen losgeworden.
Er dachte darüber nach, wie klug es wäre, im
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