Das Schlitzohr
Schaukel mehrmals aufzusuchen. Es sei denn,
sie konnten sich dabei an den Gesichtern ihrer Bekannten weiden, die das
erstemal auf der Schaukel saßen. Sie war deshalb eine nette Ergänzung, aber um
den ständigen Besuch des Blühenden Barocks zu sichern, mußte ich mir schon mehr
einfallen lassen. Man konnte es drehen und wenden wie man wollte, die sicheren
Besucher waren immer noch die Familien. Deshalb mußte der Garten so
familienfreundlich wie möglich gestaltet werden. Man mußte Einrichtungen
schaffen, die den Geldbeutel des Familienvaters nicht belasten. Das ist auch
der Grund, weshalb der Eintritt für Kinder besonders niedrig und ab dem dritten
Kind unentgeltlich ist. Darum richteten wir bei der Herzogsschaukel Grillplätze
ein. Da ich selbst beim Grillen den beißenden Rauch lästig fand, stattete ich
die Grillstände mit Gas aus.
Da ich mit 70 Jahren endgültig als
Geschäftsführer des Blühenden Barocks ausscheiden wollte, hatte ich 1974,
gewissermaßen als Abschiedsvorstellung, eine Jubiläumsgartenschau vorgesehen.
Es war eigentlich kein so richtiges
Jubiläum, denn das Blühende Barock bestand 1974 erst 20, der Gärtnereiverband
70 und das Schloß 270 Jahre. Aber Jubiläum hin oder her, der Zeitpunkt war
besonders günstig. Es war längere Zeit im süddeutschen Raum keine Gartenschau
gezeigt worden, während Mannheim für 1975 eine Bundesgartenschau geplant hatte
und 1977 die Stuttgarter Gartenschau ihre Tore öffnen wollte. Als die Sache
ruchbar wurde, protestierten die Mannheimer lautstark, zumal der deutsche
Gartenbautag in Ludwigsburg stattfinden sollte. Wir empfanden diesen Protest
als eine Kundgebung von Respekt, denn wir hatten noch nicht einmal sieben
Prozent der Mittel, die Mannheim vorgesehen hatte, zur Verfügung. Aber gerade das
reizte mich an der ganzen Geschichte, denn es ist viel interessanter mit wenig
Geld viel zu machen als umgekehrt. Bei der Planung dachte ich an eine
Ausweitung unserer Azaleen- und Rhododendronpflanzungen, da diese sich
hervorragend entwickelten. Sie sollten sich als 600 Meter langes und bis zu 70
Meter breites Band von der Emichsburg in einem großen Bogen bis zur Marbacher
Straße hinziehen und die größte geschlossene Rhododendronanlage von
Süddeutschland werden. Im Schloßgarten planten wir ein 500 Meter langes und 30
Meter breites Band von Parkrosen entlang der Alleen und der Schorndorfer
Straße. Des weiteren war eine Rosenvergleichsschau oberhalb der Heckengärten
vorgesehen und hinter den Balustraden vor dem Schloß eine
Dahlienvergleichsschau. Die große Überraschung für das Publikum sollte eine
vorgezogene Frühlingsblüte vor dem Schloß werden. Im März, also zu einer Zeit,
in der die Bäume noch kahl sind und der Rasen braun ist, wollten wir damit die
große Blumensehnsucht stillen, die im Vorfrühling die Menschen erfüllt.
Zu diesem Zwecke breiteten wir einen
blühenden Teppich aus einer halben Million Tulpen, Narzissen, Hyazinthen,
Primeln und zahlreichen anderen Frühlingsblühern, die in den Gewächshäusern und
Frühbeeten des Blühenden Barocks vorgetrieben waren, vor dem Schloß aus. Das
war nicht mehr und nicht weniger riskant, als die Veranstaltung eines
Feuerwerks, denn der Erfolg hing, wie bei diesem, vom Wetter ab. Vielleicht
hatte diese frühe Blumenpracht deshalb bisher niemand riskiert, auf alle Fälle war
sie einmalig und hatte bei der Eröffnung einen Riesenerfolg.
Auf der Nordseite des Schlosses ließ
ich von Gartendirektor Siepen aus Heidelberg zusätzliche Broderien nach alten
Stichen des Hortus Palatinus anlegen. Dadurch kann man nun von Gartenanlagen der
Renaissance bis zum landschaftlichen Park des Biedermeier alle Gartenformen
genießen. Das Ganze nannte ich »Gärten der Jahrhunderte«.
Als ganz besondere und für eine
Gartenschau ungewöhnliche Attraktion hatte ich mir eine 150 Meter lange und bis
zu 40 Meter breite Vogelvoliere südlich des Schloßparks ausgedacht. Sie sollte
nicht nur die größte Voliere Europas sein, sondern die Besucher sollten auf
einem Spazierweg durch die Voliere hindurchgeführt werden, so daß sie die Vögel
ohne jedes störende Gitter erlebten. Flamingo und Kranicharten, denen in den
Zoos normalerweise die Flügel gestutzt werden, sollten hier fliegen können.
Schleusen am Ein- und Ausgang sollten die Vögel am Entweichen hindern. Als
Schleuse am Ausgang diente in meinem Plan der Posilipo, ein alter Tunnel, der
zwei Täler verbindet. Er führt direkt ins Rhododendrontal mit Blick auf
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