Das Schlitzohr
Zuchterfolgen eine große Portion
Glück gehört. Trotzdem gilt auch hier das Sprichwort: »Glück hat auf die Dauer
nur derjenige, der genau weiß, wie viel er dem Zufall überlassen darf.«
Das Danaergeschenk
Große Probleme tauchten bei der
Besetzung des Elefantenhauses auf. Wir hatten Platz für fünf Elefanten
vorgesehen. Ein afrikanischer und zwei indische Elefanten waren vorhanden, ein
weiterer wurde von einer Tierfreundin gestiftet. Der fünfte Elefant war als
Geschenk einer indischen Provinz an den Wirtschaftsminister unseres Landes
angekündigt, der ihn der Wilhelma zugedacht hatte. Als ich von unserem Glück in
Kenntnis gesetzt wurde, war ich gleich etwas mißtrauisch, denn bei Tieren
schenkt man nicht ungern diejenigen her, die man nicht verkaufen kann, und das
sind die Vertreter des starken Geschlechts, also bei den Elefanten die Bullen.
Ich erkundigte mich sofort nach dem Geschlecht des Elefanten, konnte aber im
Ministerium nur das Versprechen erhalten, daß man sich in Indien danach
erkundigen würde. Trotz mehrfacher Anfragen kam aus Indien keine Nachricht. Da
wußte ich, woran ich war. Als mir vom Wirtschaftsministerium erklärt wurde, das
Geschlecht des Tieres spiele keine Rolle, wir müßten aus politischen Gründen
das Geschenk auf alle Fälle annehmen, saß ich wieder einmal in der Tinte. Da
ich auf keinen Fall meine Tierwärter durch einen Bullen gefährden wollte, entschloß
ich mich, bei einem Tierhändler eine junge Elefantenkuh zu kaufen, den Bullen
in Zahlung zu geben und diese Kuh als das Geschenk zu deklarieren.
Nun erfuhren wir, daß der indische
Gesandte extra aus Bonn zur Eröffnung unserer neuen Tierhäuser kommen wolle, um
das Geschenk zu übergeben. Da wurde mir mulmig zumute. Denn so gut ein Europäer
einen Hengst von einer Stute unterscheiden kann, kennt jeder Inder den
Unterschied zwischen einer Elefantenkuh und einem Elefantenbullen. Als nun der
kleine Elefant aus Indien ankam, schwammen mir meine letzten Felle davon. Er
war nämlich von oben bis unten mit Schriftzeichen bedeckt, die Glück- und
Segenswünsche bedeuteten. Damit war natürlich ein Austausch endgültig unmöglich
und wir hatten, nachdem die Stellvertreterin längst in der Wilhelma
eingetroffen war und ihrer Rolle als Wechselbalg harrte, halt sechs statt fünf
Elefanten, und die Überfüllung im Elefantenhaus hatte bereits begonnen.
Im Elefantenhaus sollten gleichzeitig
die Nashörner untergebracht werden. Da ein Paar weiße oder Breitmaulnashörner
ebenso wie ein Paar Spitzmaul- oder Doppelnashörner nur 40 000 DM kostete und
jederzeit zu haben war, während die Panzernashörner pro Stück mit 120 000 DM
gehandelt wurden und äußerst schwer zu bekommen waren, sollte uns die Wahl
eigentlich nicht schwergefallen sein. Trotzdem entschieden wir uns für die
Panzernashörner, denn sie waren nicht nur wesentlich interessanter und äußerst
selten, sondern, was besonders wichtig war, sie bringen als einzige in
Gefangenschaft Nachwuchs.
Wir suchten deshalb schon zwei Jahre
vor Fertigstellung des Hauses, Beziehungen anzuknüpfen, um diese raren Tiere zu
bekommen. Leider lange ohne Erfolg. Zuletzt hatten wir doch Glück und erhielten
aus Basel eine Nachzuchtkuh. Es fehlte nun nur noch ein Bulle. Nun stand im
Basler Zoo zwar ein Nashornmann, aber der war schon so gut wie fest nach
Amerika versprochen, wo seit Jahren eine einsame Kuh lebte. Da ich den Bullen
unbedingt haben wollte, mußte ich meinen Basler Kollegen mit einem
stichhaltigen Argument überzeugen. Ich erklärte ihm deshalb, er müsse uns schon
in seinem eigenen Interesse den Vorzug geben, da er nie sicher sei, ob nicht
einmal sein Bulle durch Tod oder andere Ursachen ausfallen würde. Aus Amerika
sei der Bulle Nummer zwei aber nicht mehr zu holen. Verkaufe er ihn aber an
uns, so hätten wir beide eine erhöhte Sicherheit. Das leuchtete ihm ein. Wir
erhielten das Nashorn. Allerdings mit der harten Bedingung eines
Rückkaufrechts, falls seinem Bullen etwas zustoßen sollte. Wir stimmten zu,
stellten aber unsererseits auch zwei Bedingungen: Der Bulle mußte uns im Falle
eines Rückkaufes jederzeit zur Zucht zur Verfügung stehen, außerdem erlosch das
Recht, sobald in Basel ein Nashornbulle geboren wurde. So waren wir zu einem
Paar Panzernashörnern gekommen. Das weibliche Tier wurde übrigens vom Verein
der Freunde der Wilhelma gestiftet. Ein Jahr vor meinem Ausscheiden aus der
Wilhelma wurde diese Panzernashornkuh geschlechtsreif und trat
Weitere Kostenlose Bücher