Das Schlitzohr
Zoologe. Ob er die
Viecher aus Publicity für seinen betulichen botanischen Garten oder aus Gründen
der Ökologie in Käfige gesperrt hat? Ich will es jetzt einfach wissen, wann man
bei Albert Schöchle im Fettnäpfchen steht. Fehlanzeige. Er hat eine verblüffend
einfache Antwort parat. »Ich liebe alles, was lebt«, und dann zeigt er mir ein
paar Fuchsbauten, deren Existenz er als großes Geheimnis hütet, weil er mit den
Füchsen den Förster fürchtet. Pascha, der Berner Sennenhund, der uns auf
unserem Spaziergang begleitet, bekommt Schnupperverbot. »Pfui«, auf dem Ohr
hört er schlecht. »Pascha Fressen«, das ist das Zauberwort, und er trottet
wieder brav hinter uns her. Ein kleiner Trick wird doch gestattet sein!? Fast
entschuldigend fügt Albert Schöchle hinzu, daß Pucki, der Hund Nr. 2 auf dem
Köpfhof, ein Dackel und folglich ein Schlitzohr, den Pascha verdorben habe.
»Wie der Herr so das G’scherr«, den Satz schlucke ich schnell wieder hinunter,
aber ich glaube, durch den Allgäuer Dickschädel meines Nachbarn blitzt in
diesem Augenblick derselbe Gedanke.
Dieser Anflug von weiser Einsicht ist
im Nu verflogen, denn jetzt, noch ein Stück weiter oben auf dem Buchenberg,
wird der Ausblick auf Kempten, das Illertal und die Alpenkette immer weiter und
großartiger. Es ist dunstig, die Salzburger Alpen und die Zugspitze bleiben verborgen,
deutlich erkennt man aber den Hochvogel, die Tannheimer Berge und den Grünten.
Man sieht Albert Schöchle an, wie sehr er diesen Blick mag. Hat er nicht
trotzdem manchmal Heimweh nach Stuttgart? Ich erinnere ihn daran, daß in der
Wilhelma jetzt die Magnolien blühen, die er von seinem Arbeitszimmer aus jeden
Tag sehen konnte. »Manchmal schon ein bißchen, doch, aber dann kann ich ja nach
Stuttgart fahren.« Er unternimmt diese Reise nicht zu oft, denn die Distanz von
seinem ehemaligen Arbeitsbereich ist ihm wichtig; er will seinen Nachfolgern
nicht auf die Nerven fallen. Deshalb ist er in seine Kinderheimat zurückgekehrt
und hat sich mit seinem »Gärtle« eine neue Aufgabe für den Lebensabend gesucht.
Albert Schöchle kommt wie so oft ins Erzählen: — zig Höfe hätten sich seine
Frau und er angeschaut, im ganzen Allgäu herum, aber der Köpfhof hätte es ihnen
dann wegen seiner bezaubernden Lage angetan. Er hat natürlich auch die
Geschichte des Anwesens im Kopf. Der Einödhof wurde in der Renaissancezeit als
Musterhof vom Hofbaumeister des Kemptener Fürstabtes Giel von Gielsberg gebaut.
Von dem Platz aus, an dem wir stehen, sehen wir nicht viel mehr als sein
ausladendes Dach, denn er steht in einer flachen Mulde, auf halber Höhe des
Buchenberges. Dafür leuchtet eine Wiese, übersät mit Narzissen, die weiß und
gelb um die Wette blühen, zu uns herauf. 30000 Zwiebeln hat der
leidenschaftliche Gärtner im Lauf der Jahre in den Boden gesenkt. Blumen in
kleinen Mengen, bekennt er selbstironisch, könne er nicht ausstehen. »Ist diese
Blütenpracht nicht etwas, worüber sich die Menschen einfach freuen müssen?«
Mit dieser Frage spricht nun ganz der
Initiator des Blühenden Barocks in Ludwigsburg aus ihm. Ohne öffentliche
Mittel, gestützt auf die Einnahmen der Jubiläumsgartenschau von 1954, hat er
den verwahrlosten Schloßpark saniert und den Märchengarten eingerichtet, zur
Freude der kleinen und großen Besucher. Für dieses Unternehmen hat er handfeste
Prügel bezogen, bezieht sie immer noch. Seine Kritiker werfen ihm vor, daß er das
Schloß mit einem barocken Garten umgeben habe, der so nie existierte. Sie
treten für eine streng klassizistische Anlage ein, die mit Thourets Plänen
genau belegbar ist, aber für Schöchle dem Geist der barocken Schloßanlage
widerspricht. Ihm geht es nicht um die historische Genauigkeit, sondern um die
historische Idee, die verwirklicht werden muß. Es stört ihn auch keineswegs,
daß er angegriffen wird. Im Gegenteil. Es regt ihn höchstens an, zu forschen
und nachzudenken, wie sich die württembergischen Herzöge ihren Schloßpark
gewünscht haben könnten, und was ihre Architekten verpfuscht haben. Dies alles
findet in einem Parkpflegewerk seinen Niederschlag, an dem Albert Schöchle
gerade arbeitet. Diese Dokumentation ist nach seiner Meinung eine gute Sache.
Aber ob die kommenden Generationen von Gartenarchitekten und Gärtnern sich an
das halten, was ihnen vorgedacht worden ist, dieser Gedanke erfüllt den
unruhigen Geist mit Skepsis und ein wenig mit Schrecken. »Mich haben solche
Dinge nie beeinflußt, dazu
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