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Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Titel: Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Teufel
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Geschöpfe
waren. War da nicht alle menschliche Kunst umsonst? Was sollten wir mit ihnen
anfangen? Hatte es denn einen Sinn, sich irgendein Ziel zu stecken, das man mit
ihnen erreichen wollte? Es klingt verwegen, wenn ich sage, daß wir sie zu
Menschen erziehen und bilden wollten, damit sie für die menschliche
Gesellschaft brauchbar würden und mit der Zeit ihr eigenes Brot verdienen
könnten. Aber wir wollten noch mehr: wir wollten ihnen das Bibelwort zur
Herzenssache machen, damit sie einen sicheren Boden unter den Füßen hätten, auf
dem sie wie auf einer Brücke hinübergehen könnten aus dieser Zeit in die
Ewigkeit.
    Unser Schloß in Riet erschien
uns dazu als der geeignete Ort. Es lag im freundlichen Strudelbachtal, umgeben
von sanften Hügeln mit Obstbäumen und Weinbergen. Leider fehlte der Wald, aber
wir hatten ein frisches Quellwasser und rings um das Schloß einen schönen Park.
    Die Kinder wurden sauber und reinlich
gehalten, im Sommer jeden Tag, im Winter dreimal in der Woche am ganzen Körper
kalt gewaschen und darauf tüchtig abgerieben. Morgens und mittags machten wir
mit ihnen Gänge ins Freie; auch kleine Turnübungen wurden von Anfang an täglich
gehalten. Es war eine Freude zu sehen, wie durch solche Körperpflege ihr
physischer und geistiger Zustand sich besserte. Die Kost war einfach, aber
kräftig und gesund, der Tageslauf genau geregelt, der Unterricht fand täglich
morgens von 8 bis 10 Uhr und nachmittags von 2 bis 4 Uhr statt. Sie lernten
lesen, schreiben, rechnen, und vor allem hatten sie Anschauungsunterricht,
damit sie sich in der Welt zurechtfinden könnten. Von Anfang an haben wir viel
mit ihnen gesungen, und wenn es auch nicht immer ein melodischer Gesang war, so
tat er ihnen doch — das merkte jeder, der ins Schulzimmer kam — an Leib und
Seele wohl.
    Es war ein großes Glück, daß
wir immer tüchtige Lehrer hatten. Nicht jeder eignet sich zum Dienst an diesen
Kindern. Es bedurfte einer herzlichen Liebe zu jedem einzelnen. Nur Liebe
erzeugt wieder Liebe, und auch das schwachsinnige Kind fühlte bald, daß man es
liebe, und erwiderte diese Liebe mit einer kindlichen Anhänglichkeit. Damit war
der Weg frei, auf das Kind einzuwirken; man mußte erst wissen, von welcher
Seite es überhaupt anzufassen sei, wenn etwas erzielt werden sollte. Dabei
haben wir immer wieder gemerkt, daß die biblischen Geschichten des Alten und
Neuen Testaments, ganz schlicht den Kindern erzählt, ihnen wie nichts anderes
das Herz erwärmten, ihr Interesse erweckten und ihre sittliche Urteilskraft
stärkten.
    Unsere Erfolge? Ich habe vorhin
von den zwei Buben gesprochen. Der erste hat schon nach einem halben Jahr alle
Spaziergänge mitgemacht, sprang herum wie die anderen auch, war sauber, fing zu
sprechen an und fand sich in seiner Umweit zurecht. Der andere ist zwei Jahre
später an Gehirnerweichung gestorben. Kein Wunder, daß trotz anfänglicher
Erfolge alle unsere Mühe schließlich vergeblich war.
    Für besonders wichtig habe ich
es immer gehalten, daß unsere Kinder, soweit dies irgend möglich war, zu
Arbeiten angehalten wurden. Die Mädchen lernten stricken und halfen in Küche
und Garten, die Knaben wurden nach ihren Anlagen zu technischen Arbeiten
verwendet, wie Strohflechten und dergleichen. Auch hier stellten wir mit
Freuden fest, daß unsere Mühe und Geduld in den meisten Fällen nicht umsonst
war.
    Sooft man uns ein solches
verwahrlostes Geschöpf brachte, fragte ich mich, was wohl die Ursache sein
könnte, daß es so mißgestaltet sei an Leib und Seele. Allmählich kam ich zu der
Erkenntnis, daß es der Ursachen viele gebe und so verschiedene, wie die
Menschen waren, die sie uns brachten, und daß das meiste irgendwie auf einer
unglücklichen Veranlagung beruhe, die die Kinder mit auf die Welt brachten. Je mehr
ich die Verhältnisse kennenlernte, aus denen sie kamen, um so deutlicher sah
ich, wie alles zusammenhing. Manchem Vater, mancher Mutter sah man es am
Gesicht an, daß sie gewohnheitsmäßige Schnapstrinker waren, so daß man nicht
lange mehr zu fragen brauchte, wie sie zu dem schwachsinnigen Kind gekommen
waren. Oft habe ich auch die elterlichen Wohnungen aufgesucht, wo die Kinder
aufwuchsen, und bin erschrocken über den Schmutz und die Verwahrlosung, die
feuchte, dumpfe, ungesunde Luft, die darin herrschte und die Wohnungen zu
Brutstätten aller möglichen Krankheiten machte, die dann wieder zur Verblödung
der Kinder führten. Einmal hatten wir ein Mädchen, das aus solchem

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