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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wieder über sein Gesicht. Es war wie ein letztes Abschiednehmen.
    Er hat keine Seele mehr, dachte sie dabei, und ihr Herz krampfte sich zusammen. Aber er ist da, und ich werde bei ihm bleiben bis zum Ende.
    »Ich liebe dich, Gerd«, sagte sie leise.
    Er schien es nicht zu hören. Doch dann regte er sich plötzlich, warf sich herum und drückte Luise unter sich. Wie ein wildes Tier fiel er über sie her. Sie wehrte sich nicht, aber sie hielt die Augen krampfhaft geschlossen, um ihn nicht anzusehen. Als es vorbei war, stand er am Fenster vor den verriegelten Läden, groß, breit, schwer atmend, erlöst von dem unerträglichen Druck in seinem Gehirn.
    »Sie sollten sich ins Bett begeben, Madame«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Ein so junger Vogel wie Sie braucht noch die Nestwärme.«
    Dann verließ er das Zimmer, indem er sich durch die zertrümmerte Tür zwängte. Wie auseinandergerissen blieb Luise auf dem Dielenboden liegen.
    Was soll ich tun, dachte sie. O Gott, was soll ich tun?
    Er ist kein Mensch mehr …
    Die sechsköpfige Kommission aus München mußte noch eine halbe Stunde in Dorians Zimmer warten, bis der Professor endlich von dem gasvergifteten Hintzler weg konnte. Dr. Keller blieb zurück. Der Zustand des Bademeisters war kritisch; auch reiner Sauerstoff und kreislaufanregende Injektionen trieben das Gas nicht aus seinem Körper.
    Professor Dorian war von Dr. Janson informiert worden, wer da in seinem Zimmer auf ihn wartete. Kampfeslustig, den Kopf etwas eingezogen, so wie er immer seine berühmten Vorträge absolvierte, von denen jeder bisher der Medizin einen Fehdehandschuh hingeworfen hatte, betrat er forschen Schrittes den großen Raum. Die Herren aus München und der Kreisarzt fuhren herum. Sie hatten, um sich die Zeit zu vertreiben, Röntgenbilder vom Schreibtisch genommen und hielten sie gegen das Sonnenlicht.
    »Guten Tag!« sagte Dorian etwas sarkastisch. »Ich sehe, die Herren informieren sich bereits. Darf ich sagen: Die Sonne bringt es an den Tag! Nur um keine Verwechslungen aufkommen zu lassen: Was Sie da ansehen, ist nicht das Hirn eines Paralytikers, sondern das Hirn eines Orang-Utans, der durch Injektionen von Gehirnbrei eines toten Menschen erstaunliche Intelligenzleistungen zeigte.« Er verbeugte sich knapp und lächelte zurückhaltend. »Dorian …«
    Die Herren legten die Röntgenbilder schnell auf den Tisch zurück. Die Überraschung war ihnen peinlich. Sie trug auf gar keinen Fall dazu bei, eine freundliche Atmosphäre zu schaffen. Aber das hatte Dorian auch nicht erwartet. Er ging zu der großen Sitzgruppe, wies auf die Sessel und nickte einladend.
    »Setzen wir uns, meine Herren. Mein Assistenzarzt meldete mir hohen Besuch aus München.« Dorian sah Dr. Hugenbeck an, der es übernommen hatte, die Herren vom Innenministerium und der Staatsanwaltschaft vorzustellen. Den Kreisarzt kannte Dorian von verschiedenen Vorträgen. Dr. Hugenbeck von der bayerischen Ärztekammer war ihm zweimal in München begegnet, als er für zwei Nervenärzte, die aus Dorians Klinik hervorgegangen waren, die Niederlassung als Praktiker im Münchner Raum befürwortete.
    Dorian blieb stehen, als sich die Herren setzten. Sein Blick glitt über die steifen Gestalten.
    Da sitzen sie nun wie die Scharfrichter, die auf das Beilchen warten, dachte er. Sechs Maßanzüge, aus denen sechs alltägliche Köpfe hervorgucken.
    Der Kreisarzt. Er hat einmal den Traum gehabt, Chefarzt zu werden. Aber irgendwie reichte es nicht, er lud sich auf mit Komplexen und wurde Beamter. Nun regiert er über einen Stab von Ärzten und Schwestern, untersucht Junglehrerinnen und Beamtenanwärter, kümmert sich um die Lungenfürsorge und die wöchentlichen Kontrollen der Dirnen, sieht sich die Giftbücher der Apotheken an und führt Listen über die süchtigen Ärzte in seinem Revier. Dreimal war er auf Hohenschwandt und schien nicht zu verstehen, was hier geschah. Am meisten schien ihn Dorians singender Gorilla Johann erschreckt zu haben. »Man soll Gott nicht so ins Handwerk pfuschen!« hatte er später am Stammtisch geäußert. Ein guter Christ war er nämlich auch.
    Dr. Hugenbeck von der Ärztekammer. Sohn eines Bierbrauers. Sehr klug, sehr clever, mit Verbindungen überallhin. Das machte ihn für die Ärztekammer so wertvoll … Hugenbeck-Bier war in Bayern bekannt. Bei Verhandlungen mit Behörden oder Krankenkassen war das ein wichtiger Faktor. Wenn Dr. Hugenbeck mit den Gemeinden über Niederlassungen junger Ärzte verhandelte,

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