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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mach schnell. Was willst du sagen?‹ Und du hast in den roten Himmel gesehen und fast geflüstert: ›Luise, ich liebe dich … Wenn wir nicht so verflucht arm und am Ende wären, möchte ich dich morgen heiraten!‹ Das war dein Heiratsantrag – ich habe ihn Wort für Wort behalten …«
    Sassner schwieg. Er starrte in den blutroten Himmel mit großen unbeweglichen Augen. Aber plötzlich sackte er zusammen, warf die Stirn auf die Fensterbank und begann laut zu weinen.
    »Wo bin ich?« schrie er und umklammerte seinen Kopf. »Wo bin ich denn?«
    »Bei mir«, sagte Luise fest und drückte seinen Kopf an ihre Brust. »Du bist zu Hause, Gerd!«
    »Die Welt verbrennt!« Er sprang auf und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf das Abendrot. »Der ganze Erdball geht in Flammen auf … und ich mit! Ich mit! Ich verbrenne!«
    Er stieß einen grellen, markerschütternden Schrei aus und stürzte dann in sich zusammen, als seien seine Knochen zu Staub geworden.
    Bis zum Morgen lag er in tiefer Bewußtlosigkeit, und Luise saß an seinem Bett und hielt seine Hand.
    Laß ihn sterben, betete sie. Mein Gott, laß ihn jetzt ruhig einschlafen. Erlöse ihn und uns. Mach ein Ende. Er hat auf dieser Erde nichts mehr zu suchen. Er ist kein Mensch mehr … er sieht nur noch so aus.
    Erlöse ihn, Gott!
    Und der Tag dämmerte über den Wäldern, es regnete leicht, die Erde roch stark nach Fäulnis, und Gerd Sassner lebte immer noch.
    Er lebte auch nach acht Tagen noch. Der schreckliche Anfall wiederholte sich nicht mehr. Am zweiten Tag nach dem Zusammenbruch stand er wieder auf und ging im Haus herum, betrachtete seine mit Kreide gezeichneten Konturen und besuchte sogar Ilse Trapps, die, in die Lederschlaufen geschnallt, im Bett lag und in Abständen vor Angst hysterisch schrie.
    »Bind mich los!« schrie sie, als Sassner sie das erstemal besuchte. »Großer Boss, ich bin doch Schwester Teufelchen. Ich bin doch dein roter Satan. Erkennst du mich denn nicht?«
    Sassner deckte sie auf, betrachtete ohne eine Regung den entblößten Leib und schlug dann die Decke wieder zurück.
    »Warum sind Sie hier?« fragte er mit der gütigen Stimme eines sich väterlich gebärdenden Arztes. »Wie kann ich Ihnen helfen? Ich sehe schon, Sie leiden an der Ballonkrankheit.« Er schob die Decke etwas zurück und legte die prallen, schwellenden Brüste Ilses frei. »Sehr kritisch, meine Beste.« Er tippte mit dem rechten Zeigefinger auf die Brust. »Sie haben zuviel Luft im Körper, alles bläht sich auf, wird rund, kugelig, geht aus der Form. Ich würde vorschlagen, wir machen ein paar kleine Schnitte und entlüften den Körper. Eine leichte, ungefährliche Operation.«
    Über Ilse Trapps kroch das Grauen wie ein ekliges Tier. Ihr Mund riß auf, die grünen Augen weiteten sich vor Entsetzen.
    »Das kannst du doch nicht tun«, stammelte sie. »Großer Boss … ich bin doch dein roter Satan … Erinnere dich doch … das andere Weib, dieses Miststück, hat mich hier ans Bett gefesselt. Bind mich los, großer Boss. Sieh mich doch an … ich gehöre dir, dir ganz allein …«
    Noch einmal versuchte sie, mit ihrem Leib zu locken. Sassner aber deckte sie wieder zu und sah sie streng an.
    »Auch Luft im Gehirn … das ist bitter, gnädige Frau. Wir werden links und rechts ein Loch bohren müssen, damit alle Stauungen ungehindert entweichen können. Das ist übrigens ein großer Fehler der Natur, daß ein Hirn keine Ventile hat. Man sollte sie einbauen. Zwei oder drei Ventile im Kopfraum, die den Überdruck ableiten. Wie viele Kriege hätten so vermieden werden können, wie viele Menschenleben hätte man gerettet! Wenn Sie es gestatten, gnädige Frau, werde ich an Ihnen demonstrieren, wie segensreich ein Ventil im Hirn ist.«
    Von diesem Augenblick an nutzte kein Schreien und kein Betteln mehr. Ilse Trapps lag ganz ruhig, von der Angst gelähmt. Sie wollte etwas sagen, aber die Worte gefroren ihr in der Mundhöhle. Nur ihre grünen Augen schrien; in ihnen lag die ganze entsetzliche Qual.
    »Bind mich los«, sagte sie unter größter Anstrengung. »Bitte … bitte … ich bin doch dein Teufelchen …«
    Das Wort ›Teufelchen‹ zündete plötzlich. Sassner stand auf, ging zur Tür und lauschte nach draußen. Luise war unten in der Küche. Er hörte sie wirtschaften, Teller klapperten, ein Topf stieß irgendwo an. Sie kochte auf dem Gaskocher, für den Ilse aus der Stadt immer die Gasflaschen mitgebracht hatte, das Mittagessen.
    Sassner ging zum Bett, schlug die Decke

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