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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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behandelt ihn, daß man sich schämen muß. Vor zweiundzwanzig Jahren habe ich Benno Berneck das letztemal gesehen, nun kommt er zu uns zu Besuch, und ihr benehmt euch wie Flegel! Was soll das eigentlich?«
    Luise winkte ab und wollte zurück in die Küche. Jede Komödie hat einmal ein Ende und jeder Witz wird fade, wenn er zu lange erzählt wird. Aber sie kam nur zwei Schritte weit … eine harte Hand riß sie herum. Sie taumelte und fiel gegen ihren Mann. Erschrocken starrte sie zu ihm hoch. Es war das erstemal in ihrer siebzehnjährigen Ehe, daß er sie so hart anfaßte.
    »Wo willst du hin?« frage er. Seine Stimme bebte vor Erregung.
    »In die Küche, Koteletts braten!«
    »Zuerst entschuldigst du dich bei Leutnant Berneck.«
    »Nun laß es gut sein, Gerd! Vorstellung beendet. Du bist ein großer Komödiant, aber nun übertreib es nicht …« Sie wollte sich aus seinem Griff befreien, aber er preßte die Finger um ihren Arm wie Stahlklammern. Es tat weh, und Luise verzog das Gesicht.
    »Du bittest meinen Freund Benno zu Tisch!« sagte Sassner dumpf. »Er bekommt den Ehrenplatz neben mir …«
    »Laß mich los! Was soll das?« Luise entriß sich ihm mit einem Ruck. Sassner fuhr herum und sah seine Kinder an. Sie standen nahe der Tür und starrten zu ihm hin. Die Fröhlichkeit war aus ihren Gesichtern gewichen. So unbegreiflich es auch war, aber sie waren die ersten, die es erkannten: Es ist Ernst. Es ist kein Spiel mehr. Etwas Schreckliches breitete sich aus und lähmte sie.
    »Und ihr?« brüllte Sassner plötzlich. »Ihr steht herum und kümmert euch nicht um unseren Gast? Soll ich euch Beine machen? Los, den Tisch decken, Weingläser dazu … du, Dorle, schläfst heute bei Ma. Deine Koje wird Leutnant Berneck beziehen. Natürlich bleibt mein Freund über Nacht! Was seht ihr mich so an? Paßt es euch nicht, daß ich meinen besten Freund wiedergefunden habe? Ein Beispiel sollte er euch sein, eurer Generation, die ihr keine Leitbilder habt außer langmähnigen Hohlköpfen! Wißt ihr, was Benno Berneck getan hat? Er hat eurem Vater das Leben gerettet. Bei Baranowitschi war das. Wir waren eingeschlossen von den Sowjets … neunundvierzig Mann, zwölf Pferde und drei Panjewagen. Und Munition für zwei Tage. Da hat Benno Berneck auf eigene Faust mit dreiundzwanzig Panzergrenadieren den Ring der Russen gesprengt und uns herausgeholt. Ohne ihn wäre ich jetzt nicht hier … und ihr laßt ihn draußen vor der Tür stehen wie einen Bettler! Mein Gott, wie schäme ich mich für euch …«
    Er wandte sich ab, stieß Dorle und Andreas zur Seite und rannte aus dem Haus. Zurück blieb eine dumpfe Stille, eine Empfindung dunklen Grauens.
    »Er meint es wirklich so …« sagte Dorle leise.
    »Er sitzt neben dem alten Schuh auf der Bank und spricht mit ihm.« Andreas sah aus dem Fenster, an die Wand gedrückt, die zitternden Arme zur Seite gespreizt. »Jetzt bietet er dem Schuh eine Zigarette an. Mein Gott, Ma … was … was ist mit Paps los?«
    »Ich weiß es nicht.« Luise Sassner stellte die Pfanne ab, sie legte sie auf eine Sessellehne, die ihr am nächsten war. Die plötzliche Erkenntnis, daß Sassner krank sein mußte, daß eine unerklärbare Veränderung in ihm vorgegangen war, daß sein Geist sich verwirrte, machte sie hilflos. Wer begreift das schon von einer Minute zur anderen? Da ist er vor zwei Stunden weggegangen, um zu angeln. Er hat den zerknitterten Hut geschwenkt und laut gelacht, als ihm Andreas nachrief: »Mein größter Sonntagswunsch … keiner beißt an!« Und wie jeden Sonntag ist er den Bach hinauf und hinab gewandert, hat im Wasser gestanden, die lange Angel in beiden Händen, hat den Vögeln zugesehen, hat ein Reh belauscht, hat einen Dachs entdeckt, und er hat sich gefreut, einen ganzen Tag lang Ruhe zu haben. Ruhe vor der Fabrik, Ruhe vor seinen Direktoren, Ruhe vor den Exportzahlen, Ruhe vor den Laboratorien, in denen Gerd Sassners chemische Entdeckungen ausgebaut und verbessert wurden. Sonntag im ›Haus Frieden‹ … das war eine Flucht zum Ich. Das war ein Rückzug zum Menschsein. Das war die kleine, unberührte Welt der Sassners.
    Und nun kam er zurück, hatte einen alten Schuh in der Hand und stellte ihn als Benno Berneck vor.
    Wer kann das begreifen?
    »Bleibt hier«, sagte Luise Sassner stockend. »Ich spreche mit Paps allein. Er ist überarbeitet, er hatte in letzter Zeit viel Ärger in der Fabrik. Kümmere dich um die Koteletts, Dorle, und du, Andreas, machst zwei Dosen mit Schnittbohnen

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