Das Schloss der tausend Sünden
Haar und erinnerte sich an lange schwarze Locken, über die er unglückseligerweise einst gestrichen hatte. Haar, das nicht zu seiner treuen japanischen Verbündeten gehörte.
An diesem Abend sprach keiner der beiden über die Gefahr, die auf sie lauerte.
Kapitel 13
Gefahren und Freuden
«Erzähl mir von Arabelle», verlangte Belinda von ihrer attraktiven neuen Bekannten. «Wie kann sie so leben? So ohne Körper?»
Sie und Michiko schlenderten nach dem Essen durch den Park, und obwohl der Abend warm war, ließ das Gespräch Belinda erschauern. Michiko hatte ihr all die Dinge verraten, die André ihr nicht erzählen konnte. «Und du sagtest, es würden Gefahren lauern. Was für Gefahren? Für wen? Für André? Für Arabelle? Für mich?»
Jetzt, wo sie sein Geheimnis kannte, konnte Belinda die seltsame Zurückhaltung ihres Gastgebers besser verstehen. André brauchte sie, um zu entkommen. Nur sie konnte ihm dazu verhelfen, ein Leben hinter sich zu lassen, das die Hölle für ihn war. Und nur mit ihrer Hilfe würde er seine Geliebte mit sich nehmen können.
«Eins nach dem anderen», sagte die wunderschöne Japanerin mit sanfter Stimme und hakte sich bei Belinda unter. Die Haut der fremden Frau war ebenso kühl wie die von André – ein sicheres Zeichen, dass es sich nicht um einen normalen Menschen handelte. «Arabelle ist ein untoter Geist. Nachdem die schwarze Hexe Isidora sie betäubt hatte, wurde ihr die Lebenskraft mittels eines magischen Seidenfadens entzogen und in die Kristallphiole gesperrt.» Die Frau mit den orangefarbenen Haaren sprach in einem so ruhigen und vernünftigen Ton, als wäre das eine völlig normale Vorgehensweise. «Und als sie erst mal in dem Gefäß gefangen war, vernichtete Isidora ihren Körper, damitsie nie wieder zu ihm zurückkehren konnte.» Michiko hielt kurz inne und drehte sich mit vor Zorn blitzenden Augen zu Belinda um. «Ihr wunderschöner Körper verbrannte zu Knochen … zu Asche und Staub. Und das nur, damit dieses schreckliche Wesen seinen teuflischen Gelüsten nachgehen und André für immer für sich behalten konnte.»
«Aber André hat mir erzählt, dass er eigentlich gar nicht unsterblich sei, sondern nur … ein besonders langes Leben hätte?»
Michiko ließ Belindas Arm los und packte sie fest bei den Schultern. Die Augen der Japanerin glänzten wie Onyxsteine. «Der Zauberspruch wurde nie vollständig ausgesprochen. Das ist der andere Grund, weshalb Isidora ihn noch verfolgt.» Starke Daumen drückten sich in Belindas nackte Oberarme. «Sie hat eine Verbindung zu André hergestellt, hat ihre Schicksale miteinander verwoben. Wenn er sein Ziel erreicht – das heißt, wenn er stirbt –, kann auch Isidora nicht länger leben.»
«Ich verstehe», sagte Belinda, durchschaute die ganze Sache aber eigentlich überhaupt nicht.
«Ein bisschen verstehst du vielleicht», konterte Michiko, aber das Lächeln ließ ihr wildes Samuraigesicht gleich etwas liebenswerter erscheinen.
Belinda konnte nichts sagen. Michikos sporadische Freundlichkeit war weitaus anziehender als ihre kühle Dominanz. Diese Sanftheit sprach etwas in Belinda an, was noch ganz neu und unklar war. Sie fand die Japanerin faszinierend, ein wenig beängstigend und umwerfend schön. Nach allem, was man ihr in der letzten Stunde offenbart hatte, kam es ihr merkwürdig vor, wieder so etwas wie Sehnsucht zu empfinden. Doch sie verspürte das starke Bedürfnis, die neue Freundin zu berühren. Belinda wollte das vertiefen, was sie von Feltris und Elisa gelernt hatte.
Plötzlich merkte die junge Frau, dass Michiko sie aufmerksam und mit einem neuen Blick in den dunklen Mandelaugen beobachtete.
«Hast du irgendwelche Fragen?», erkundigte sie sich und legte ihren auffällig frisierten Kopf zur Seite. Fragen über mich, meine Kleine?, schien sie hinzufügen. Die Worte waren zwar zu verstehen, doch Michikos Lippen hatten sich nicht bewegt. Das verwirrte Belinda vollends.
Kannst du meine Gedanken lesen?, dachte Belinda und konzentrierte sich so sehr auf diesen Satz, dass die Muskeln ihres Gesichts sich schmerzhaft zusammenzogen.
«Ja, allerdings», antwortete Michiko mit noch breiterem Lächeln. «Aber ich kann auch damit aufhören, wenn es dich stört.» Der Griff um Belindas bloßen Arm lockerte sich etwas und wurde ein wenig weicher.
Die Japanerin hatte etwas an sich, was Belinda herausforderte, sich auf diese mentale Kommunikation einzulassen. Doch sie war noch immer zu ängstlich, sich dieser
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